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AfD: Nichtstun gegen die Krise

Die AfD stellt sich gegen Klimaschutz. Das macht sie für viele Menschen attraktiv

Willkommen im Tal des Todes: Im kalifornischen Death Valley erreichte die Temperatur diese Woche 55 Grad Celsius.
Willkommen im Tal des Todes: Im kalifornischen Death Valley erreichte die Temperatur diese Woche 55 Grad Celsius.

Dieser Beitrag ist Teil des Schwerpunkts »Klimakrise und die politische Rechte«. Überschwemmungen und Dürren, Hitzewellen und Waldbrände: Über Jahrzehnte haben Forschende vor den Folgen des Klimawandels gewarnt, nun sind sie in allen Ecken der Erde sichtbar. Dabei ist seit Beginn der Industrialisierung die Durchschnittstemperatur erst um 1,1 Grad gestiegen. Laut IPPC-Bericht steuern wir gerade auf 3,2 Grad bis 2100 zu – selbst wenn die Staaten konsequenter Klimaschutz betreiben, wird das internationale Ziel von maximal 1,5 Grad Erderwärmung vermutlich verfehlt. Und was plant die Alternative für Deutschland? Sie will dem Klimawandel »positiv begegnen« – so steht es in ihrem Wahlprogramm von 2021.

Auf den ersten Blick könnte man das Klima-Narrativ der Rechtsaußen-Partei als unsinnig und damit harmlos abtun – ein kruder Mix aus alternativen Fakten, unterfüttert mit Verschwörungsmythen. Die völkisch-nationalistische Ideologie, die mit der Klimapolitik der AfD eng verwoben ist, ist aber alles andere als harmlos. Vor allem, wenn man auf die aktuellen Umfragewerte der Partei schaut, die seit der Sonneberg-Wahl im Juni Regierungsverantwortung auf kommunaler Ebene hat. Was also vertritt die AfD in der Klimapolitik konkret?

Ihre Position zur Klimakrise ist schnell erzählt: Dass es den Klimawandel gibt, erkennen AfD-Politiker*innen inzwischen größtenteils an, behaupten aber zum einen, dass dieser nicht wirklich dramatisch sei und zum anderen, dass er nicht menschengemacht sei – entgegen dem überwältigenden Konsens unter Klimaforscher*innen weltweit. Zwar hätten Rechte sehr lange an der schlichten Leugnung des Klimawandels festgehalten, die Datenlage der letzten Jahre sei aber einfach zu erdrückend gewesen, um eine solche Position weiterhin zu vertreten, sagt Nils Kumkar, Autor des Buches »Alternative Fakten«, dem »nd«.

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Alle Versuche, den Klimawandel zu stoppen, sind laut AfD ungerechtfertigt – vor allem dann, wenn dafür in die deutsche Wirtschaft eingegriffen wird. Klimaschutz wird primär als »eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland verstanden«, erklärt Bernd Sommer, Leiter des Forschungsbereiches »Klima, Kultur und Nachhaltigkeit« am Norbert-Elias-Center der Europa-Universität Flensburg. Der Vorwurf gegen die etablierten Parteien: Sie verfolgten »eine Klimapolitik, die dem deutschen Volk schadet«. Ein im rechten Spektrum oft zitierter Gegenentwurf zum Klimaschutz, den auch die AfD häufig bewirbt, ist der Natur- beziehungsweise Heimatschutz. Die Politik steht nach der Logik der Rechtspartei zwar nicht in der Verantwortung, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen. Die heimische Natur soll aber schon geschützt werden.

Doch warum findet dieses offensichtlich falsche Narrativ großen gesellschaftlichen Anklang, vor allem unter Konservativen? Der Sozialwissenschaftler Sommer führt drei wichtige Faktoren an, die eine Rolle spielen könnten: »Die AfD macht ein Angebot für Transformationsverlierer*innen, die sich dann als unmittelbare Opfer der Klimapolitik der Regierung wahrnehmen.« Wer etwa durch die schrittweise Umstellung auf klimafreundlichere Energiequellen seinen Job verloren hat oder dies befürchtet, empfindet eine unmittelbare, negative Betroffenheit, erklärt der Forscher. Dazu kommt, was er »Kulturthese« nennt, nach der sich das Klimathema in eine lange Reihe von Themen der kulturellen Modernisierung einreiht, die Rechte und Konservative stark ablehnen. Genauso wie etwa Feminismus und queere Identitäten oder postmigrantische Perspektiven. Aber auch traditionelle und gleichzeitig fragile Männlichkeitsvorstellungen werden durch das Klima-Narrativ der AfD bestätigt, in dem zum Beispiel Autofahren oder Fleischkonsum verteidigt werden – also Dinge, die vor allem für manche Männer wichtige Identifikationspunkte sind.

Was manche vielleicht als Wirrwarr aus alternativen Fakten, Verschwörungsmythen und reaktionärer Haltung abtun würden, ist direkt mit der völkisch-nationalistischen Ideologie der AfD verwoben. Die klaren Parallelen zu rechtsextremen Erzählungen versuchen die Politiker*innen der Partei zwar meist zu verschleiern, bei genauerer Prägung aber werden sie sichtbar.

Der AfD-Slogan »Heimatschutz statt Klimaschutz« lässt sich etwa auf die Idee zurückführen, die deutsche Natur sei das einzig natürliche Lebensumfeld für nicht-migrantische, weiße deutsche Menschen und deshalb besonders schützenswert. Auch das Thema Migration wird in diesem Kontext häufig von Rechten mit der Klimafrage verbunden. Denn nicht nur ist in dieser völkisch-nationalistischen Logik die deutsche Natur die richtige für Deutsche, sie ist auch die falsche Natur für andere. So wird unter anderem die starke Ablehnung von Migrant*innen begründet, die als Gefahr oder Störfaktor für die »heimische« Natur dargestellt werden. Diese zutiefst rassistische Zusammenführung von Nationalismus und Ökologie werde auch »Ökofaschismus« oder »Fossiler Faschismus« genannt, erläutert Sommer.

Aber wie verbreiten sich diese Klimanarrative? Nils Kumkar erklärt, dass eigentlich zu jeder Zeit unterschiedliche Versatzstücke der Klimaleugnerrhetorik in der Gesellschaft kursierten. Erst jetzt seien diese aber wirklich relevant geworden und werden deshalb von politischen Akteuren und auch Verschwörungsideologen aufgegriffen. Die AfD könne sich das politisch zunutze machen. »Ob AfD-Politiker das aber auch wirklich glauben oder ob es reiner Opportunismus ist, ist unmöglich zu sagen.« Besonders wichtig für die Verbreitung alternativer Fakten zum Thema Klimawandel ist laut Kumkar die heutige Medienlogik, die von Dissens genährt wird. Je konträrer die Meinungen, desto mehr Klicks und Views, desto höher die Quoten.

Eine Diskussionsrunde bei Lanz vom Mai dieses Jahres ist exemplarisch dafür. Neben Steffen Kotré, Wirtschaftsingenieur und seit 2017 Bundestagsabgeordneter für die AfD, waren die Spiegeljournalistin Melanie Amman und der international anerkannte Klimaforscher, Meteorologe und Ozeanograph Professor Mojib Latif, der seit mehreren Jahrzehnten zum menschengemachten Klimawandel forscht, bei der Talkrunde zu Gast, um über Klimawandel zu diskutieren. Kotré machte im Laufe der Sendung eine Falschaussage nach der andern. Zwar unterbrach ihn Lanz regelmäßig und Latif versuchte, Sachverhalte richtigzustellen. Aber der Klimaquatsch war längst gesagt. Amman analysierte noch während der Sendung die problematische Dynamik: »Wir haben hier zwei Menschen sitzen: Der eine ist ein international anerkannter Fachmann in seinem Gebiet, der mit Fakten argumentiert. Und wir haben einen Rechtspopulisten, der mit seiner Meinung dagegenhält. Das soll vor allem Zweifel sähen« – eine typische rechte Rhetorikstrategie.

Zwar ist es anstrengend, der Diskussion zwischen Lanz und seinen Gästen zu folgen – ständig fallen sie sich gegenseitig ins Wort, werden immer wieder laut – und trotzdem macht es irgendwie Spaß hinzuschauen, wie sich die drei an den Aussagen des AfD-Mannes abarbeiten. So wurde die Sendung auf Twitter, Facebook und in allen großen Zeitungen aufgegriffen. Das rechte Klimanarrativ erreichte Tausende von Menschen.

»Was machen Sie, wenn einmal der Tag auf sie zukommen sollte, an dem Sie selbst ernsthaft politische Verantwortung übernehmen müssen? Angenommen, Sie wären der neue Wirtschaftsminister, was würden Sie tun?« Bis Markus Lanz dem AfD-Abgeordneten Kotré diese Frage stellen konnte, vergingen 35 Minuten Primetime-Sendezeit. Die wenig überraschende Antwort: Gegen den Klimawandel will Kotré gar nichts machen. Bei der Energieversorgung solle man wieder auf russisches Gas zurückgreifen und auf Atomenergie.

Darüber hinaus fordert die AfD das Ende jeglicher Dekarbonisierungsmaßnahmen der Bundesregierung und eine sofortige Kündigung des Pariser Klimaabkommens. Außerdem will sie, dass Deutschland aus Klimaschutzorganisationen austritt und ihnen die finanzielle Unterstützung entzieht. Nichtstun gegen die Krise lautet also das Motto der parlamentarischen Rechten mit bundesweiten Umfragewerten bei über 20 Prozent.

Der Dialog zwischen Lanz und Kotré, mit dem die Talkshow endete, ist für die Klimapolitik der AfD so bezeichnend wie erschütternd: »Sie würden in ihrem Wahlkreis ein AKW hinstellen?« »Ja, selbstverständlich.« »Und das Endlager für dem Atommüll?« »Das sind Reststoffe, die dann verwertet werden können. Atommüll gibt es nicht.«

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