Die S-Kurve bei den Erneuerbaren

Laut neuen Studien verzeichnen klimafreundliche Technologien ein exponentielles Wachstum

  • Christian Mihatsch
  • Lesedauer: 3 Min.

»Rasche Fortschritte bei den wichtigsten sauberen Energietechnologien zeigen, dass die neue Energiewirtschaft schneller entsteht, als viele denken.« So fasst die Internationale Energie-Agentur (IEA) einen neuen Bericht zusammen, der vor wenigen Tagen erschienen ist. Dieser zeigt ein deutliches Wachstum in den meisten relevanten Bereichen im vergangenen Jahr: Der Zubau an Erzeugungskapazität bei Erneuerbaren erreichte ein Rekordhoch von 340 Gigawatt, was etwa der Leistung von 230 mittelgroßen Atomkraftwerken entspricht. Am stärksten war das Wachstum mit 26 Prozent bei Solaranlagen. Die Investitionen in Erneuerbare stiegen insgesamt um 15 Prozent und lagen bei 1600 Milliarden Dollar. Auch der Verkauf von Elektroautos wuchs mit einem Plus von 55 Prozent stark. Knapp zehn Millionen Elektroautos fanden einen Käufer, was einem Marktanteil von 15 Prozent entsprach. Dieser hat sich damit innerhalb von zwei Jahren mehr als verdreifacht.

Der IEA-Bericht bestätigt die Ergebnisse anderer Untersuchungen, die in jüngster Zeit erschienen sind. Diese zeigen ebenfalls, dass die meisten Technologien, die für die Erreichung von Netto-Null-Emissionen entscheidend sind, stark wachsen. Laut dem US-Wissenschaftler-Thinktank Rocky Mountain Institute (RMI) folgt die Verbreitung neuer Technologien einer S-Kurve: Erst wachsen diese langsam und dann explosionsartig. Und wenn die Marktdurchdringung nahezu 100 Prozent erreicht hat, flacht das Wachstum wieder ab. Derzeit sei der Zubau von Solar- und Windkraft sowie von Batterien in der exponentiellen Wachstumsphase, schreibt das RMI und erwartet, dass dies in der absehbaren Zukunft so bleibt: »Es gibt immer noch starke Triebkräfte für den Wandel: Lernkurven, überlegene Wirtschaftlichkeit, Energiesicherheit, geopolitischer Wettbewerb, Effizienz, klimatische Notwendigkeit und lokale Umweltverschmutzung sind nach wie vor eine starke Kombination für den Wandel«, heißt es in einer aktuellen Untersuchung.

Die Forscher gehen davon aus, dass Solar- und Windkraft ihren Anteil am Stromverbrauch, der heute bei zwölf Prozent liegt, in den nächsten sieben Jahren mehr als verdreifachen werden. Gemäß RMI ist die Welt damit auf einem Entwicklungspfad, der die Erreichung von Netto-Null-Emissionen bis zum Jahr 2050 möglich machen würde. Widerstände wie in Deutschland beim Umstieg auf klimafreundliche Heizungen oder wie in Großbritannien gegen Windkraft an Land dürften diese Entwicklung nicht aufhalten: »Es gibt überall Hindernisse, aber das Wachstum geht weiter. Der Grund dafür ist, dass die Hindernisse spezifisch und lokal sind, die Lösungen aber allgemein und global, sodass sie den Widerstand gegen Veränderungen überwinden können«, prognostiziert der Bericht. Die Produzenten fossiler Energien müssten sich daher auf deutlich sinkende Einnahmen einstellen: »Das exponentielle Wachstum hat das Stromsystem an einen Kipppunkt gebracht, an dem die Abkehr von fossilen Brennstoffen nur noch schwer umkehrbar ist.« RMI geht daher davon aus, »dass die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen im Elektrizitätssektor ihren Höhepunkt erreicht hat und bis zum Ende des Jahrzehnts im freien Fall sein wird«.

Schließlich zeigt auch eine neue Studie des World Resources Institute (WRI), dass sehr schneller Wandel möglich ist. Damit die Welt ihr Netto-Null-Ziel bis 2050 erreichen kann, müsse der Anteil von Solar- und Windstrom am globalen Strommix bis 2030 jedes Jahr um 3,1 Prozentpunkte zunehmen, schreiben die Forscher der Umwelt-Denkfabrik. In der Vergangenheit haben allerdings mehrere Länder gezeigt, dass sogar eine deutlich höhere Wachstumsrate erreicht werden kann. Der absolute Spitzenreiter ist hier Uruguay. Das südamerikanische Land hat in den fünf Jahren von 2013 bis 2018 den Anteil von Wind- und Solarkraft an seinem Strommix von einem Prozent auf 35 Prozent gesteigert. Auch Dänemark, Litauen, Namibia, die Niederlande, Palästina, Jordanien und Chile haben Fünf-Jahres-Perioden erlebt, in denen der Anteil von Wind- und Solarkraft am Energiemix um mehr als vier Prozentpunkte pro Jahr zugenommen hat. Für das WRI zeigen diese Beispiele, »dass Länder mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen rasch auf erneuerbare Energien umsteigen können«.

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