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Die Linke: Schweres Geschütz gegen Parteispitze

»Was-tun-Netzwerk« der innerparteilichen Opposition wirft den Vorsitzenden »Putsch« vor

Feindbild der Linkskonservativen: Carola Rackete. Zu Kandidat Gerhard Trabert (links) ist ihnen noch nichts eingefallen.
Feindbild der Linkskonservativen: Carola Rackete. Zu Kandidat Gerhard Trabert (links) ist ihnen noch nichts eingefallen.

Es brauchte eine Weile, bis sich die Kritiker der Linke-Spitze, die sich im Was-tun-Netzwerk zusammengeschlossen haben, zum Vorschlag der Bundesvorsitzenden für ein »Spitzenteam« zur Europawahl 2024 äußerten. Am Mittwochabend nun verbreitete der Koordinierungskreis des Netzwerks eine Stellungnahme, in der er den Vorgang scharf als »Putsch von oben« verurteilt und behauptet, es sei an den zuständigen Gremien der Partei vorbei agiert worden. Auch inhaltlich wird Kritik am Personalvorschlag geübt, insbesondere an der Idee, mit Klima- und Seenotrettungsaktivistin Carola Rackete an der Spitze in den Europawahlkampf zu ziehen.

In dem Netzwerk haben sich diejenigen zusammengeschlossen, die viele Positionen Sahra Wagenknechts teilen, insbesondere jene, dass sich die Linkspartei nicht mehr um die Armen, die Lohnarbeitenden und Marginalisierten kümmere, sondern angeblich nur um die Interessen kleiner Gruppen, und dass sie »grüner« sein wolle als die Grünen.

In seiner Stellungnahme lässt der Koordinierungskreis des Was-tun-Netzwerks, dem unter anderem das ehemalige Bundesvorstandsmitglied Ralf Krämer angehört, kein gutes Haar an dem am 17. Juli von den Linke-Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan präsentierten Quartett von Kandidaten zur Europawahl. Dem Vorschlag der Vorsitzenden zufolge sollen Schirdewan und Özlem Alev Demirel, die bereits seit 2019 die Linke im Europaparlament vertreten, 2024 auf Platz 1 und 3 der Partei kandidieren. Auf Platz 2 möchten sie Carola Rackete sehen und auf Platz 4 Gerhard Trabert, der im vergangenen Jahr für die Linke für das Amt des Bundespräsidenten kandidierte.

Im Was-tun-Statement heißt es, die Vorsitzenden hätten ihren Vorschlag »ohne Absprache mit den zuständigen Parteigremien« der Öffentlichkeit präsentiert und damit frühzeitig »Fakten geschaffen«. Weiter heißt es in der Stellungnahme: »Der Bundesauschuss der Partei, in dessen Kompetenzbereich der Vorschlag für die Aufstellung einer Europaliste fällt, wurde faktisch kaltgestellt. Diesem bleibt nur noch die Wahl zwischen der Absegnung dieser putschartigen Aktion oder einen Eklat zu riskieren.« Dasselbe gelte für den Bundesparteitag, der im November die Kandidaten zur Europawahl bestimmen wird. Es handele sich mithin um einen »Putsch von oben«. Mit der »eigenmächtigen und satzungswidrigen ›Installierung‹« werde »bewusst und absichtlich der Konflikt bis zur endgültigen Bruchlinie hin verschärft«, die Spaltung der Partei werde »faktisch von der Parteiführung vollzogen«.

Lars Peters, Pressesprecher des Linke-Bundesvorstands, betonte am Donnerstag gegenüber »nd«, die Vorwürfe seien »schlicht falsch«. Die Vorsitzenden hätten das übliche Prozedere eingehalten und ihren Vorschlag im Vorfeld nicht nur mit Landes- und Fraktionsvorsitzenden, sondern auch mit dem Bundesausschuss besprochen. Beim Bundesausschuss können seit dem Frühjahr Kandidaturen für die Europawahl eingereicht werden – und zwar noch bis zum 30. Juli. »Und natürlich haben auch die Vorsitzenden das Recht, Vorschläge zu machen«, sagt Peters. Gegenüber »nd« hatte auch die frühere NRW-Landtagsabgeordnete Gunhild Böth, die Mitglied des Präsidiums des Bundesausschusses ist, erklärt, sie halte das Vorgehen der Vorsitzenden formal wie inhaltlich für richtig.

Die Wagenknecht-nahe Opposition kritisiert indes insbesondere die Entscheidung für Rackete, wenn auch mit etwas kryptischen Formulierungen. So heißt es in ihrer Stellungnahme: »Wenn die von Carola Rackete mustergültig gelebte Solidarität mit den Opfern der EU-Abschottungspolitik im Mittelmeer mit der Anschlussfähigkeit an die Kriegspolitik der EU verbunden wird und wesentliche Teile der Begründungen für die Kriegspolitik der EU übernommen werden, dann wird jede Orientierung und die Reflexionsfähigkeit der Partei Die Linke verloren gehen.«

»Was tun« behauptet zudem, Rackete und »ihr Umkreis« würden eine Unterstützung des »ukrainischen Widerstands« fordern, was bedeute, dass die Linke demnächst wohl »den Nato-Stellvertreterkrieg gegen Russland« unterstützen werde, in dem Russland im Februar 2022 in die Ukraine einmarschiert ist und seither größere Gebiete in deren Osten besetzt hält. Eine Pro-Nato-Position sei es, »welche Carola Rackete und ihre Aktivisten mit Unterstützung der Parteivorsitzenden« der Linken »aufzwingen wollen«. Das sei eine »direkte Aufforderung, mit unseren bisherigen internationalistischen, antimilitaristischen und antiimperialistischen Positionen, wie sie im Erfurter Programm festgehalten sind, zu brechen«. Das werde zur »unumkehrbaren innerparteilichen Spaltung führen«.

Das Fazit der nach eigener Darstellung »linken Opposition« in der Partei: »Entweder gelingt es noch, diesen Kurs aufzuhalten, oder die Gründung von etwas Neuem wird unvermeidlich.«

Als Beleg für die Vermutungen über die Absichten des Vorstands führt »Was tun« ein Papier von Mario Candeias von der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung an, in dem dieser angeblich eine »disruptive Parteineugründung ideologisch flankiert«. Dabei ist der Beitrag von Candeias lediglich eine Analyse, in der er konstatiert: »Der anti-neoliberale Konsens, der Die Linke lange geeint hat, zerfasert von den Rändern her: in Richtung eines sozial- oder linkskonservativen Projekts auf der einen und in ein (transatlantisch) sozialliberales Projekt auf der anderen.« Candeias beschreibt also die Pole an den Rändern der Partei und nicht deren Mainstream. Der Wagenknecht-Flügel ist der Meinung, dass »die linksliberalen Vertreter unserer Partei« zu den »Eliten« gehören, die sich »mittlerweile dem globalen Kapital zugehöriger fühlen als der Arbeiterklasse«.

Die Autoren der Stellungnahme wollen dagegen eine Partei, die »die Klassengesellschaft in jeder ihrer Ausprägungen sichtbar« macht, ihr den Kampf ansagt und »gezielt ArbeiterInnen anspricht, gewerkschaftliche AktivistInnen und nicht nur FunktionärInnen gewinnt«. Eine solche wollen sie selbst schaffen – ein klarer Hinweis darauf, dass man selbst nicht mehr lange mit einer »disruptiven Neugründung« warten möchte.

Sie scheinen allerdings die zahlreichen sozialpolitischen Papiere und Vorschläge des Parteivorstands nicht zur Kenntnis zu nehmen, mit denen dieser darum bemüht ist, umfassende Veränderungen des aktuellen Systems zu erreichen. Zuletzt präsentierte Parteichef Schirdewan zusammen mit Gregor Gysi einen »Plan für ein gerechtes Deutschland«.

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