Fridays For Future Deutschland: Die Klimakämpfe der Weißen

Die deutsche Bewegung richtet sich im grünen Kapitalismus ein und blickt nicht über den globalen Norden hinaus

  • Lakshmi Thevasagayam
  • Lesedauer: 3 Min.

»How dare you?« (Wie könnt ihr es wagen?) Das ist einer der Sätze von Fridays-For-Future-Aktivistin Greta Thunberg, die die Klimadebatte geprägt haben. Die Klimabewegung des Globalen Nordens hat durch diese Bewegung eine neue Dimension bekommen. FFF Deutschland hat 2019 mit 1,4 Millionen Teilnehmer*innen die größte Mobilisierung für einen Klimastreik erreicht. Nach unzähligen Demos, Ortsgruppentreffen, Medienauftritten und Politiker*innengesprächen wird FFF diesen Sommer fünf Jahre alt – Zeit für einen Rückblick und eine Bestandsaufnahme.

Fast fünf Jahre lang versuchte FFF Deutschland, die Klimakrise als wichtiges Thema in den Bundestag und auf die Frühstückstische zu bringen. Die Medien inszenieren die Bewegung als diejenigen, die das geschafft haben. Diese Annahme ist falsch und missachtet die Kämpfe, die schon viel länger geführt werden, die aber niemanden interessierten. Fridays For Future konnte nur so groß werden, weil sie aus weißem Privileg geboren wurde. Weil die Medien das Leid weißer Menschen interessanter finden als das von nicht-weißen Menschen. Weil weiße Menschen plötzlich Angst haben um ihre Zukunft.

Lakshmi Thevasagayam
Lakshmi Thevasagayam

Lakshmi Thevasagayam ist Ärztin, Klima- und Gesundheitsaktivistin und engagiert sich in der Antikohlebewegung im Rheinland.

Dabei betrifft diese Angst für den Großteil der Menschen nicht nur die Zukunft, sondern auch die Vergangenheit. Und die Zukunft wird umso bitterer, wenn nicht die systematischen Ursprünge der Klimakrise an der Wurzel bekämpft werden. Ja, ich rede über die beiden anderen K-Worte: Kapitalismus und Kolonialismus. Darüber aber möchte FFF Deutschland nicht sprechen. Von vornherein ging es nicht darum, die Struktur hinter den Ursprüngen der Klimakrise anzusprechen, sondern auf das »brennende Haus« zu zeigen. Wieder und wieder das zu wiederholen, was Klimaforscher*innen seit Jahrzehnten predigen.

Nach fünf Jahren hat sich daran leider nichts geändert. Sie haben an die Politik appelliert, mit den Lindners, Merkels und von der Leyens gesprochen. Immer die gleichen Leute mit der gleichen Message: Es brennt, tut doch bitte was. Selbst vor einem (in)direkten Wahlkampf für die Grünen wurde nicht zurückgeschreckt – FFF Aktivist*innen, die über die Jahre einen Prominenzstatus erlangten, sind in der Partei und lassen sich für Posten aufstellen. Selbst nach den gewaltsamen Räumungen im Dannenröder Forst und in Lützerath und nach dem Schulterschluss der Grünen mit der Flüssiggas-Lobby ist kein Bruch in Sicht.

Während die internationale FFF-Community sich inzwischen an Menschen orientiert, die auf dieser Erde am meisten unter der Klimakatastrophe leiden, hat FFF Deutschland den Schuss anscheinend immer noch nicht gehört. Die internationale FFF-Community hat sich beim globalen Klimastreik 2022 auf die kapitalistische Ausbeutung durch fossile Energiekonzerne fokussiert. Sie teilen auf ihrer Webseite klar ihre Analyse der kapitalistischen, patriarchalen und rassistischen Strukturen, die den globalen Süden ausbeuten, und benennen die historische Verantwortung des globalen Nordens. Statt sich dem anzuschließen, sind FFF Deutschland die Einzigen, die weiter an die Politik appellieren, 100 Milliarden in Klimabelange zu investieren. Grüner Kapitalismus eben.

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Während wenige weiße, gutbürgerliche FFF-Popstars von einer Talkshow in die nächste rennen, berichten migrantische Mitglieder bei FFF immer wieder über Ignoranz und Angriffe. Egal ob es um Solidarität mit Palästinenser*innen geht, die gerade einen Krieg gegen ihre Existenz erfahren, oder um die Frage, ob Tausende Euros nicht nur für die eigene Arbeit hier verwendet, sondern mit Aktivist*innen im globalen Süden geteilt werden. Oder ob das Mikro weitergereicht wird und weiße Privilegierte sich nicht krampfhaft daran festhalten, sondern migrantische und Arbeiter*innenstimmen zu Lanz und in die Tagesschau schicken. Fünf Jahre lang – how dare you, FFF Deutschland?

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