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  • Friedensdialog mit der ELN-Guerilla

Kolumbien: Erst Feuerpause, jetzt humanitäre Zonen

Die Friedensverhandlungen mit der kolumbianischen ELN-Guerilla kommen voran

  • Sara Meyer, Bogotá
  • Lesedauer: 4 Min.

Die vierte Runde des Friedensdialogs zwischen der kolumbianischen Regierung und der ELN-Guerilla trägt Früchte: Auch wenn vielerorts die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen ELN-Rebell*innen, Splittergruppen der ehemaligen Farc-Guerilla, rechten Paramilitärs und Drogenbanden weitergehen, einigten sich Bogotá und die ELN auf die Einrichtung sogenannter humanitärer Zonen in den besonders von Gewalt gebeutelten Gebieten im Nordwesten Kolumbiens. Die dort lebende Bevölkerung soll nicht mehr in Angst leben und ins Kreuzfeuer geraten müssen. Die Friedensdelegationen verständigten sich zudem auf einen Entwicklungsplan für die betroffenen Regionen und forderten die Zivilbevölkerung auf, ihre Ansichten an den Verhandlungstisch zu tragen. Dafür wurde Anfang August ein Partizipationsausschuss eingerichtet, um einen stabileren Frieden herbeizuführen und Fehler vergangener Friedensprozesse zu vermeiden. Diese Mechanismen haben dem Prozess einen gewissen Nachdruck verliehen und geben Hoffnung auf weitere Fortschritte. In Venezuela vereinbarten die Parteien außerdem ein Teilabkommen, das Verbesserungen der Betreuung politischer Gefangener der ELN-Guerilla in den Haftanstalten schaffen soll.

Bei der Abschlussveranstaltung der vierten Runde sprach Pablo Beltrán, der Unterhändler der ELN, von einer »Medienkampagne der großen Medienunternehmen«, die versucht hätten, den Friedensprozess zu behindern. Während die Kolumbianer*innen täglich Meldungen zu Entführungen und Morden seitens der Rebellengruppen erreichen – die sie am Friedensprojekt des ersten linken Präsidenten zweifeln lassen könnten –, berichtet die Friedensstiftung Pares von einem 63-prozentigen Rückgang der Offensivaktionen der ELN im vergangenen Monat. Seit dem 3. August herrscht eine offizielle sechsmonatige Feuerpause zwischen den staatlichen Streitkräften und den ELN-Kämpfer*innen. Sie wurde zuvor von den Friedensdelegationen ausgehandelt. Die Überwachungsmechanismen und die Auswertung dieser Waffenruhe waren ebenfalls Bestandteil der vierten Gesprächsrunde.

Der Leiter der Regierungsdelegation Otty Patiño betonte am Montag die positiven Fortschritte, die bereits in kürzester Zeit gemacht worden seien, und sagte, dass »die Rechte der Menschen in den Mittelpunkt gestellt« würden. Dennoch ereilte die Bevölkerung am Montag die Nachricht, dass neun Menschen im Grenzgebiet zu Venezuela bei Kämpfen zwischen Guerillagruppen getötet wurden. Seit vergangener Woche befinden sich die ELN und abtrünnige Farc-Rebell*innen dort in Gefechten.

Die binational agierende ELN verfügt zurzeit schätzungsweise über 5000 Mitglieder und ist in Kolumbien und im Nachbarland Venezuela aktiv. Sie entstand vor über 60 Jahren inspiriert durch die kubanische Revolution. Anfangs war die Gruppe angetreten, die Gesellschaft komplett umzuwälzen. Heutzutage sind große Teile der ELN in Kämpfe mit anderen illegal bewaffneten Gruppen um die Vorherrschaft über Flächen für den Drogenanbau verwickelt. Ein Bericht der Stiftung Ideen für den Frieden gab zwar kürzlich bekannt, dass die Feuergefechte zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren seit Antritt des linken Staatschefs Gustavo Petro vor über einem Jahr gesunken seien, dafür bekämpften sich die einzelnen bewaffneten Akteure untereinander vermehrt.

Präsident Petro strebt einen umfassenden Frieden an. Dafür will er mit allen illegal bewaffneten Gruppen sprechen, selbst städtischen Banden und Drogenkartellen bot er die Möglichkeit zum Dialog mit seiner Regierung an. Am 2. September verkündeten die Regierung und der Zentrale Generalstab der Farc, eine der Splittergruppen der ehemaligen zur Partei umgewandelten Farc-Guerilla, bald offizielle Verhandlungen zu führen. Ursprünglich war der Beginn der Gespräche für den 17. September vorgesehen, diese wurden aber aufgrund mehrerer Angriffe auf Militär und Polizei vorerst verschoben. Die abtrünnigen Kämpfer*innen bekannten sich jüngst dazu, eine Autobombe in einem Polizeiwagen im Westen des Landes gezündet und einen Soldaten entführt zu haben. Daraufhin begaben sich die staatlichen Streitkräfte und die Rebellen vor Ort in bewaffnete Auseinandersetzungen. Die Bedrohungen halten immer noch an.

Für einen umfassenden Frieden im Bürgerkriegsland Kolumbien scheint es künftig von großer Bedeutung zu sein, inwieweit die einzelnen Friedensprozesse, besonders die mit der ELN und den Farc-Dissident*innen, aufeinander abgestimmt sind. Auch der Wille zur Befriedung der einzelnen Fronten der jeweiligen Guerilla-Gruppen ist ausschlaggebend für den Erfolg des ambitionierten Projektes des Präsidenten.

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