Havanna lässt sich nicht vereinnahmen

Kubas Behörden nehmen 17 Verdächtige aufgrund von Anwerbeversuchen für den Ukraine-Krieg fest

  • Andreas Knobloch, Havanna
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Kooperation kennt Grenzen: Im Juni war Kubas Verteidigungsminister Alvaro Lopez Miera (Mitte) zu Gast bei seinem russischen Amtskollegen Sergej Shoigu (ganz links).
Die Kooperation kennt Grenzen: Im Juni war Kubas Verteidigungsminister Alvaro Lopez Miera (Mitte) zu Gast bei seinem russischen Amtskollegen Sergej Shoigu (ganz links).

In Kuba wurden nach Angaben des Innenministeriums Ende vergangener Woche 17 Personen festgenommen, die Teil eines Netzwerks sein sollen, das Kubaner für den Krieg in der Ukraine rekrutierte. Der Fall hat international viel Aufmerksamkeit hervorgerufen.

Drei der Festgenommenen »gehörten zu dem vom Ausland aus gesteuerten Anwerbungsprogramm auf der Insel«, hieß es in kubanischen Medien mit Berufung auf die Ermittlungsbehörden. Die übrigen 14 Personen hätten gestanden, »sich der Operation auf individueller und freiwilliger Basis angeschlossen zu haben, im Austausch für einen Aufenthalt in dem eurasischen Land [gemeint ist Russland, d. Red.] und eine beträchtliche finanzielle Entschädigung«.

Auf der Grundlage der Geständnisse der Verhafteten und abgehörter Kommunikation behaupten die kubanischen Behörden, dass die Organisatoren des Netzwerks nach »Personen mit Vorstrafen, die aus dysfunktionalen Familien stammen«, suchten. Kubas Generalstaatsanwaltschaft wirft den Verdächtigen vor, Kubaner unter falschem Vorwand nach Russland gelockt zu haben, wo sie als Söldner in den Krieg gegen die Ukraine geschickt werden sollten.

Im Mai hatte zunächst eine russische Regionalzeitung Einzelheiten darüber veröffentlicht, wie Ausländer, darunter auch Kubaner, für die russischen Truppen rekrutiert wurden. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte im vergangenen Jahr eine Verordnung unterzeichnet, die es Ausländern erleichtert, auf Vertragsbasis in die russische Armee einzutreten.

Am ersten Septemberwochenende dann berichtete der in Miami ansässige Sender »América TeVé« über den Fall zweier 19-jähriger Kubaner, die erklärten, über Facebook angeheuert worden zu sein, um angeblich als Handwerker auf Baustellen der russischen Armee zu arbeiten. »Freunde« in Kuba hätten ihnen den Kontakt zu einer kubanischen Frau vermittelt, die ihnen einen Vertrag für Bauarbeiten in Russland angeboten habe.

Mitglieder des Netzwerks, zu dem mindestens zwei russische Frauen gehörten, schickten ihnen demnach einen Vertrag auf Russisch, den sie nicht übersetzen sollten, und kauften ihnen ein Flugticket von Varadero nach Moskau. Russland verlangt von Kubanern kein Visum bei der Einreise. Von Einsätzen als Söldner war keine Rede. In Russland wurden den jungen Männern die Pässe abgenommen, die beiden landeten in der russischen Armee und im Schützengraben in der Ukraine.

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Andere Zeugen erklärten, direkt von den russischen Streitkräften angeworben worden zu sein. Ihnen seien Geld und ein regulärer Aufenthaltsstatus in Aussicht gestellt worden. Viele Kubaner in Russland haben oft keine anderen Möglichkeiten der Legalisierung. Neben der finanziellen Komponente ist das Versprechen verlockend, dass sie und ihre unmittelbaren Familienangehörigen nach nur einem Jahr Dienst die russische Staatsbürgerschaft erhalten können. Russland ist in den vergangenen Jahren angesichts der schweren Wirtschafts- und Versorgungskrise auf der Insel zu einem beliebten Ziel für kubanische Einwanderer geworden, auch als Sprungbrett nach Serbien oder Westeuropa.

Nach den Medienberichten und mehreren entsprechenden Erfahrungsberichten in sozialen Netzwerken reagierte die kubanische Regierung Anfang vergangener Woche zunächst mit einer Erklärung. »Das Innenministerium hat ein Menschenhandelsnetz aufgedeckt und arbeitet daran, es zu neutralisieren und zu zerschlagen. Es operiert von Russland aus, um dort lebende kubanische Staatsbürger und sogar einige in Kuba lebende Personen in die Streitkräfte einzugliedern, die an Militäroperationen in der Ukraine teilnehmen«, schrieb das kubanische Außenministerium.

Kuba habe »eine feste und eindeutige historische Position gegen den Söldnerhandel«, heißt es weiter. »Kuba ist nicht an dem Krieg in der Ukraine beteiligt. Es handelt und wird energisch gegen jeden vorgehen, der sich von seinem Staatsgebiet aus an irgendeiner Form des Menschenhandels zum Zwecke der Anwerbung oder des Söldnerwesens beteiligt, damit kubanische Bürger Waffen gegen irgendein Land einsetzen.«

In den Medienberichten auf der Insel spielt der Krieg in der Ukraine indes keine große Rolle. Zwar begreift die kubanische Regierung den Krieg als Konflikt zwischen der Nato und Russland. Auch haben Havanna und Moskau zuletzt ihre politischen und wirtschaftlichen Beziehungen vertieft. Bei UN-Abstimmungen hat Kuba sich aber mehrfach der Stimme enthalten, statt die Positionen des Kreml ausdrücklich zu unterstützen.

In den kubanischen Medien wird darauf hingewiesen, dass für Straftaten im Zusammenhang mit Menschenhandel, Menschenschmuggel und Söldnertum schwere Strafen drohten. »Das Gesetz sieht Freiheitsstrafen von zehn bis 30 Jahren, lebenslange Haft oder den Tod vor«, schreibt das Online-Portal »Cubadebate«. Die Ermittlungen zu diesen Vorfällen, »die der nationalen Sicherheit schaden und den Werten des kubanischen Volkes fremd sind«, liefen aber noch.

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