CDU bringt Scholz auf Linie

Bundeskanzler verspricht konzertierte Aktionen zur »Eindämmung der irregulären Einwanderung«

Ein »freundlicher und konstruktiver Austausch zum Thema Migration« sei es gewesen, berichtete Olaf Scholz am Samstag im Onlinedienst X. Gemeint war seine Zusammenkunft mit CDU-Chef Friedrich Merz und den Regierungschefs von Hessen und Niedersachsen, Boris Rhein (CDU) und Stephan Weil (SPD), am Freitagabend im Kanzleramt. Rhein ist derzeit Chef der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK). »Bundesregierung, Länder und die größte Oppositionspartei bewerten viele Punkte ähnlich«, so Scholz weiter.

Konkrete Ergebnisse hatte der »Migrationsgipfel« freilich nicht. Allerdings sind sich Union und die Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP mittlerweile weitgehend einig: Übereinstimmend will man die Lebensbedingungen für Geflüchtete verschlechtern, um angebliche Anreize, nach Deutschland zu kommen, zu beseitigen. Zudem will man für mehr und schnellere Abschiebungen sorgen, der Entwurf eines »Rückführungsverbesserungsgesetzes« aus dem SPD-geführten Bundesinnenministerium liegt bereits vor.

Der Kanzler hofft nun, bis zur nächsten MPK am 6. November, Lösungen zur »Eindämmung der irregulären Einwanderung« zu finden, wie er am Samstag auf einer SPD-Veranstaltung in Teltow bei Potsdam sagte.

Oppositionsführer Merz gab der Ampel bereits vor, was sie zu erledigen habe. »Wir sind uns im Ziel einig: Die hohen Zahlen der illegalen Einwanderung müssen schnell nach unten«, sagte er der »Welt am Sonntag«. Eine Zusammenarbeit komme aber für die Union »nur in Betracht, wenn die im Rahmen eines Deutschlandpakts vereinbarten Maßnahmen substanziell und wirksam sind«.

Die von der MPK am Freitag vorgelegten Vorschläge gehen der Union indes nicht weit genug. Sie fordert weiter eine Obergrenze, genannt »Richtwert«, für die Aufnahme Geflüchteter und die Einstufung weiterer Staaten als »sichere Herkunftsländer«, in die leichter abgeschoben werden kann. Zudem verlangte Merz einen öffentlichen »Appell« des Kanzlers. Der müsse lauten: »Es ist sehr unwahrscheinlich, dass es eine Bleibeperspektive in Deutschland gibt. Also macht Euch bitte erst gar nicht auf den Weg.«

Zwischen Anfang Januar und Ende September haben in Deutschland 233 744 Menschen erstmals einen Asylantrag gestellt, rund 73 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Allerdings sind das immer noch weniger als die Hälfte der Anträge, die 2015 gestellt wurden (476 650). Im Jahr 2016 stellten sogar 745 545 Menschen erstmals einen Asylantrag.

Derweil ist die Zahl der ausreisepflichtigen Asylbewerber in Deutschland erheblich geringer, als zuletzt von CDU-Chef Merz behauptet. Er hatte sie mit 300 000 angegeben. Wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linke-Bundestagsabgeordneten Clara Bünger hervorgeht, lebten Ende August 155 448 Menschen in Deutschland, deren Antrag auf Asyl abgelehnt wurde. Ende 2022 waren es noch 167 848.

Von den abgelehnten Asylbewerbern verfügten fast 136 000 (87,5 Prozent) über eine Duldung. Knapp 20 000 haben keine Duldung und sind demnach unmittelbar ausreisepflichtig. Die meisten abgelehnten Asylbewerber stammen aus dem Irak (22 374), aus Nigeria (10 623), Russland (9520), Afghanistan (8893) und Iran (7109). Das zeige, »dass eine Asylablehnung nicht zwangsläufig bedeutet, dass die Menschen einfach abgeschoben werden können«, betonte Bünger. Statt rechter Stimmungsmache und weiterer Gesetzesverschärfungen brauche es »eine wirksame Bleiberechtsregelung und humanitäre Entscheidungen im Einzelfall«, fordert sie.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann rief seine Partei, die Grünen, unterdessen zu mehr Kompromissbereitschaft in der Asylpolitik auf. »Wenn wir im Namen der Humanität die Aufnahmebereitschaft der Gesellschaft auf Dauer massiv überfordern, dann werden wir die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger verlieren«, warnte er am Samstag auf einem Landesparteitag in Weingarten. »Das Ergebnis einer solchen Politik wäre dann nicht mehr, sondern weniger Humanität.« Die aktuelle »Krise« habe die »Wucht, das demokratische Gemeinwesen zu erschüttern«. Mit Agenturen

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