Laibach: Die Mädel und Buben im Traumland

Laibach arbeiten weiter an der eigenen Musealisierung

Das Berliner Maxim-Gorki-Theater, mit seinem Programm oft am Puls der Zeit, hat zum sechsten Herbstsalon geladen. »Lost – You Go Slavia« lautet das übergeordnete Thema des Festivals in diesem Jahr. Das ist klug gedacht – den Kriegen der Gegenwart nähert man sich über den Umweg Geschichte. Zumal die Jugoslawienkriege der 90er Jahre allzu schnell unterschlagen werden, wenn wieder mal jemand mit Blick auf die Ukraine vom ersten Krieg in Europa seit 1945 daherredet.

Geht es um Jugoslawien und dessen Zerfallsprodukte, zumal um die künstlerische Auseinandersetzung mit seiner Geschichte, fällt schnell der Name des Musikkollektivs Laibach. Die subversive musikalische Kraft aus Slowenien sorgt seit 1980 für wohltuende Verstörung – und musste sich dafür mehr als einmal neu erfinden. Laibachs Kunst begann mit dem Spiel mit einer faschistischen Ästhetik, die man durch Überaffirmation sogleich wieder unterlief, fand seinen Höhepunkt mit einer Staatsgründung auf dem Berliner Rosa-Luxemburg-Platz und sorgte noch einmal für große Aufmerksamkeit durch eine Konzertreise nach Nordkorea vor wenigen Jahren.

Nun hat das Gorki die freundlichen Provokateure abermals nach Berlin geladen. So recht passen aber die Berliner Bühne mit ihren aktivistischen Ambitionen und die slowenische Gruppe mit aufschreckend uneindeutigen künstlerischen Botschaften nicht zusammen. Laibachs Performance am Mittwoch mit dem Titel »Mi kujemo budočnost« (Wir gestalten die Zukunft) ist als historisch ungenaues Reenactment eines Auftritts der Gruppe im posttitoistischen Jugoslawien 1983 zu verstehen, das zum einstweiligen Verbot führte. Dieses Mal also keine künstlerische Neuerfindung, eher Arbeit an der eigenen Musealisierung.

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Mit der überlauten Einspielung des nervtötenden »Heidschi Bumbeidschi« nahm dieser neunzigminütige Musikabend seinen Anfang. Die Volkstümelei aus dem Alpenhinterland wurde so eifrig wie erwartbar dekonstruiert. Und schon bald waren härtere Sounds zu hören, begleitet von historischem Filmmaterial, vornehmlich aus dem Zweiten Weltkrieg. Das wiederum wurde verschnitten mit einem Pornofilm. Man kann höchstens erahnen, welche Wirkung künstlerische Strategien wie diese vor 40 Jahren gehabt haben mögen. Die Wirkung an diesem Abend liegt irgendwo zwischen sanfter Irritation und gemäßigter Langeweile. Mitunter fühlt man sich nicht wie auf einem Konzert, sondern wie im kulturwissenschaftlichen Proseminar. Wogegen man einst künstlerisch arbeitete, ist längst nicht mehr da. Was bleibt, ist die Harmlosigkeit einer Kunst, die keinen Gegner mehr kennt, für die sich aber noch Eintrittskarten zum Preis von 80 Euro verkaufen lassen.

Nächste Konzerte: 7.11. Luxemburg, 8.11. London, 9.11. Coesfeld, 14.11. Amsterdam, 15.11. Nürnberg, 17.11. Glauchau, 18.11. Katowice

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