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Demo in Berlin gegen Auftritt von Boxer Tom Schwarz

Eine Demonstration von »Keine Show für Täter« protestiert gegen den Auftritt von Profiboxer Tom Schwarz

  • Laura Meng
  • Lesedauer: 4 Min.

Rund 200 Menschen stehen am Samstagnachmittag auf dem Boxhagener Platz in Berlin-Friedrichshain. Sie tragen rote Fahnen oder Schilder mit Aufschriften wie »Frauenschläger raus aus Berlin«. »Alerta, Alerta, Antisexista« hallt es in der Dämmerung über den Platz. Am internationalen Tag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen prangern sie einen Mann an, der trotz glaubwürdiger Gewaltvorwürfe in Berlin auftreten darf: Der Profiboxer Tom Schwarz. Denn obwohl Schwarz seine Ex-Verlobte schwer verletzte, steht er am Samstagabend bei der Veranstaltung »The Show must go on« mit anderen Boxstars im Ring.

Die feministischen Gruppen »Keine Show für Täter Berlin« und »Frauenkampftag SFO« aus Magdeburg haben zu der Demonstration aufgerufen. Sie protestieren regelmäßig gegen öffentliche Auftritte von Männern, gegen die Vorwürfe schwerer frauenfeindlicher Gewalt vorliegen. So fanden in den vergangenen Jahren Kundgebungen gegen den Comedian Luke Mockridge oder den »Rammstein«-Sänger Till Lindemann statt.

Nun also Tom Schwarz. Der Boxer stand Ende 2020 wegen gefährlicher Körperverletzung an seiner Ex-Verlobten Tessa Schimschar in Burg bei Magdeburg vor Gericht. Mit einem Faustschlag hatte er ihr mehrfach den Kiefer gebrochen. Ende 2021 wurde das Verfahren gegen eine Geldauflage von 2500 Euro eingestellt. Der Richter argumentierte, Schwarz habe möglicherweise aus Notwehr gehandelt und dabei die Grenzen der Verhältnismäßigkeit überschritten. Deshalb liege eventuell nur eine einfache Körperverletzung vor. »Der Schlag hätte anders ausgeführt werden können und müssen, und als Profiboxer muss man in der Lage sein, das dosieren zu können«, sagte der Richter und sorgte damit für Empörung, weil Prozessbeobachter*innen diese Aussage als Verharmlosung der Gewalt verstanden. Mit der Einstellung des Verfahrens ließ das Gericht die Schuldfrage ungeklärt.

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Etwa zur selben Zeit wurden auch Vorwürfe körperlicher Gewalt an seiner Ex-Freundin, der Sängerin Annemarie Eilfeld, bekannt, sowie an einem Mann, der 2020 in einen Autounfall mit Schwarz verwickelt war.

Schimschar musste rund 50 000 Euro für Verfahrenskosten und ihre Zahnbehandlung alleine tragen. Für finanziell schlechter gestellte Gewaltbetroffene könnte eine solche Summe den finanziellen Ruin bedeuten, betont Sarah von »Keine Show für Täter« gegenüber »nd«. »Das Urteil zeigt nur zu doll, wie gesamtgesellschaftlich akzeptiert patriarchale Gewalt ist«, sagt die Aktivistin, die nicht mit ihrem richtigen Namen zitiert werden möchte.

Auch Anja, die mit ihrer Tochter am Rande der Demonstration steht, sieht die Gerichtsentscheidung kritisch: »Gewalt gegen Frauen wird nicht als das tituliert, was es ist, sondern als Beziehungstat, und dann werden Entschuldigungsmechanismen gefunden und letztendlich wird allen heranwachsenden Männern die Berechtigung gegeben, auch so zu handeln.« Eine andere Demonstrantin vermisst Unterstützung im Kampf gegen Gewalt an FLINTA*-Personen, also an Frauen, Lesben, inter, nichtbinären, trans und agender Personen: »Wir haben nicht das Gefühl, dass die Politik uns genug zur Seite steht. Deshalb ist es wichtig, auf die Straße zu gehen.«

Die Demonstration erreicht ihr Ziel vor der East Side Mall an der Warschauer Brücke. Einige Fans von Tom Schwarz, die anscheinend gerade auf dem Weg zur nahegelegenen Verti Music Hall sind, versuchen erfolglos, die Demonstrant*innen zu provozieren.

Laut Sarah gibt es einige Möglichkeiten, sich gegen patriarchale Gewalt stark zu machen. »Organisierte Solidarität ist eine wichtige Sache. Es kann aber auch Austausch und Emo-Care sein« – also die emotionale Unterstützung der Betroffenen. Und Anja betont: »Es ist wichtig, die Scham zu bezwingen, sich nicht in die Opferrolle schieben zu lassen, sondern offen darüber zu reden

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