Ausbildung in Berlin: Abgabe gegen Unter­nehmer-Widerstand

CDU und SPD wollen Gesetze zum Landes­mindest­lohn und zu einer Ausbildungs­platz­umlage einbringen

Damit mehr junge Menschen einen Ausbildungsplatz finden, sollen Betriebe finanzielle Anreize erhalten, um einen solchen anzubieten.
Damit mehr junge Menschen einen Ausbildungsplatz finden, sollen Betriebe finanzielle Anreize erhalten, um einen solchen anzubieten.

Kein Streit in der schwarz-roten Koalition: Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) kann zwei Gesetzesvorhaben zum Landesmindestlohn und zur Ausbildungsplatzumlage weiter voranbringen. Letzteres hatte in der Vergangenheit der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) kritisiert – nun sind die Wogen anscheinend geglättet. »Ich freue mich, dass die Koalitionspartner Wort halten«, sagte Kiziltepe am Montag bei einem Pressegespräch. Denn beide Gesetzesvorhaben seien bereits im Koalitionsvertrag so festgeschrieben worden.

Das Gesetz für eine Ausbildungsplatzumlage tritt dennoch nur in Kraft, wenn das Ziel von 2000 zusätzlichen Ausbildungsplätzen bis Ende des Jahres nicht erfüllt wird. »Wir versuchen weiterhin, diese Zielvorgabe zu erreichen«, so Kiziltepe. Mit dem Gesetzesentwurf wolle man dem Ergebnis zum Jahresende nicht vorweggreifen. Doch um im kommenden Jahr startklar zu sein, brauche es diese »Parallelität« – also die Vorbereitung des Gesetzes, noch bevor feststeht, ob es aufgrund einer Verfehlung des Ausbildungsziels in Kraft treten wird oder nicht.

Die Idee der Ausbildungsplatzumlage ist es, dass alle Unternehmen eine Abgabe zahlen müssen, um daraus dann Unternehmen finanziell zu unterstützen, die Ausbildungen anbieten. Die Abgabe soll sich an der Arbeitnehmerbruttolohnsumme orientieren. Das heißt, dass die Abgabe an der wirtschaftlichen Leistungskraft der Unternehmen bemessen werden soll, sagt Kiziltepe. Die Finanzierung der Verwaltungskosten der Umlage soll aus dem Landeshaushalt übernommen werden, nicht aus den Unternehmensabgaben. »Alle Einnahmen der Ausbildungskasse kommen den Betrieben zugute«, so die Arbeitssenatorin.

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Das Gesetz soll bis Anfang Juli ins Abgeordnetenhaus eingebracht werden, um bei Bedarf Anfang 2026 in Kraft zu treten. Von den 2000 notwendigen neuen Ausbildungsplätzen, die es zur Verhinderung der Umlage braucht, seien bis zum 26. Mai dieses Jahres erst 700 geschaffen worden. Dennoch will Kiziltepe nicht ausschließen, dass das Ziel noch erreicht wird. Dass es dringend mehr Ausbildungsplätze in Berlin braucht, zeigen laut Senatorin auch die Zahlen aus dem vergangenen Jahr: »3500 Menschen waren unterversorgt.«

Die Umlage, für die sich unter vorherigen Landesregierungen die Linkspartei starkgemacht hatte und die am Montag von Kiziltepe zum SPD-Vorhaben erklärt wurde, erntet seit jeher Kritik von den Arbeitgeber-Verbänden. »Die Beschlüsse der Koalitionsfraktionen passen überhaupt nicht in die Zeit«, schimpfte am Sonntag erneut Alexander Schirp, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg (UVB). Das Gesetzesvorhaben, ebenso wie jene zum Landesmindestlohn und zur Vergesellschaftung, rücke »den Wirtschaftsstandort in ein denkbar schlechtes Licht« und blende aus, dass »sich die Welt seit Abschluss des Koalitionsvertrags fundamental verändert« habe. »Wir brauchen nicht Staatseingriffe und Dirigismus, sondern Zurückhaltung des Staates und weniger Bürokratie.«

Auch die Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) teilte nach Veröffentlichung der Fraktionsbeschlüsse umgehend ihren Unmut über die Ausbildungsplatzumlage-Pläne und den Landesmindestlohn mit: »Die Berliner Wirtschaft ist seit mittlerweile drei Jahren im Konjunktur-Tief. Sämtliche weitere Belastungen sind Gift angesichts der gesamtwirtschaftlichen Lage«, sagt IHK-Berlin-Präsident Sebastian Stietzel.

Änderungen des Landesmindestlohns
  • Der Berliner Mindestlohn soll sich gemäß der Entwicklungen im Bund prozentual erhöhen.
  • Er soll höchstens 1,50 Euro über dem bundesweiten Mindestlohn liegen und darf diesen nicht unterschreiten.
  • Der Landesmindestlohn soll ausreichen, um nach 45 Jahren sozial­versiche­rungs­pflichtiger Vollzeit­beschäf­ti­gung eine auskömmliche Rente ohne weitere Aufstockung zu erhalten, er soll aber auch nicht über dem dafür notwendigen Betrag liegen.
  • Der Mindestlohn umfasst den Grundstundenlohn ohne Zulagen und Zuschläge. Diese werden, etwa für Arbeit an Feiertagen oder für Arbeit unter erschwerten Bedingungen wie hoher Lärm- oder Schmutzbelastung, zusätzlich zum Mindestlohn gezahlt. loz

Senatorin Kiziltepe nimmt die Kritik gelassen. Schon zur Einführung des bundesweiten Mindestlohns 2015 seien von Unternehmerseite aus Horrorszenarien von Massenarbeitslosigkeit gezeichnet worden. »Die Befürchtungen aus der Wirtschaft haben sich nicht bewahrheitet.« Stattdessen habe durch den Mindestlohn der Niedriglohnsektor deutlich verkleinert werden können.

Der Berliner Landesmindestlohn liegt mit 13,69 Euro über dem bundesweiten Mindestlohn von 12,82 Euro und war zuletzt im Mai 2024 erhöht worden. Im Koalitionsvertrag haben CDU und SPD festgehalten, der Erhöhung eine Gesetzesänderung folgen zu lassen, wodurch die Löhne »dynamisch angepasst« werden sollen. »Durch die Gesetzesänderung erhöht sich der Landesmindestlohn nicht automatisch«, sagt Kiziltepe. Aber die Änderung schaffe die Grundlage für kommende Anpassungen.

Erhöhungen des Berliner Mindestlohns sollen sich auch nach den Entwicklungen des Bundesmindestlohns richten. Eine Entscheidung über eine Erhöhung des deutschlandweiten Mindestlohns erwartet Senatorin Kiziltepe an diesem Donnerstag.

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