SPD-Parteitag als Motivationscamp

Jana Frielinghaus über das Agieren der Sozialdemokraten

Angesichts der Begeisterung der Delegierten im Berliner City Cube für den Bundeskanzler und die Erfolge der SPD könnte man meinen, sie lebten in einer Parallelwelt. Denn da draußen in der realen sitzen sie fest in einem Umfragetief, das Olaf Scholz noch einmal ganz besonders betrifft. Andererseits ist es vor diesem Hintergrund verständlich, die eigene Größe und das Immer-wieder-Aufstehen zu beschwören, denn auf den Tag genau vor zwei Jahren wurde Kanzler Scholz vereidigt, und man möchte einerseits noch bis zum Ende der Legislatur regieren, also den zerstrittenen Laden Ampel-Koalition zusammenhalten. Und andererseits muss man sich gerade wegen der desolaten Lage angesichts der Haushaltskrise auf vorgezogene Neuwahlen einstellen.

Vielen in der SPD dürfte dämmern, dass der Rechtsruck in Sachen Asylpolitik, den die Partei mit Rückführungsverbesserungsgesetz und Co mitgemacht hat, nicht zu einer Verbesserung ihrer Situation beigetragen hat. Zeichen dafür ist jener von Generalsekretär Kühnert initiierte Kompromissantrag zu Migration und Flucht, für den eine große Mehrheit stimmte. Der allerdings nichts an der Politik der Bundesregierung und ihrer Zustimmung zur Verschärfung des EU-Asylsystems ändern wird, was auch die Parteilinken wissen.

Dasselbe trifft für zahlreiche andere Anträge zu, deren Realitätswerdung von den Koalitionspartnern abhängt. Zum Beispiel sprach sich die Partei auf Initiative ihres Vorstands zum gefühlt hundertsten Mal für die Wiedereinführung der Vermögensteuer, eine Vermögensabgabe und höhere Erbschaftssteuer für Superreiche aus. Gleichzeitig aber grenzen sich selbst einstige Parteilinke wie Kevin Kühnert von der Linkspartei ab und meinen, linke Politik sei in Berlin leichter ohne diese Konkurrenz durchsetzbar.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal