Neuer Haushalt 2024: Konjunktur runter, Inflation rauf

Die Ampel-Koalition verpasst der Volkswirtschaft mit den Haushaltskürzungen einen weiteren Dämpfer

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.
Leerstehendes Modegeschäft in Nordrhein-Westfalen
Leerstehendes Modegeschäft in Nordrhein-Westfalen

Weniger Ausgaben und mehr Geld in den Kassen – das sieht die Einigung der Regierungskoalition vor, mit der das Haushaltsloch 2024 von 17 Milliarden Euro geschlossen werden soll. Ökonomen warnen nun davor, dass strukturell wichtige Investitionen auf der Strecke bleiben könnten. Eher linke Wirtschaftswissenschaftler denken zudem über die negativen Folgen für Konjunktur und Inflation nach.

Eine Volkswirtschaft besteht grundsätzlich aus drei Akteuren: aus Unternehmen, privaten Haushalten und dem Staat. Letzterer ist gewissermaßen die Resterampe. Da Unternehmen nicht ihr gesamtes Kapital investieren und Haushalte nicht ihr gesamtes Geld für Konsum ausgeben, wird von privater Seite gespart. Diesen Überhang an Finanzmitteln greift in einer idealtypischen Wirtschaft der Staat ab. Das kann er wahlweise über Steuern tun oder über Kredite. Erfüllt er diese Funktion nicht, kann der Kreislauf ins Trudeln geraten.

So betrachtet, fehlen nicht allein dem Bundeshaushalt 17 Milliarden Euro, sondern der gesamten Volkswirtschaft. Das hat Auswirkungen auf die Konjunktur. »Die Haushaltskürzungen verpassen der deutschen Wirtschaft einen weiteren Dämpfer«, befürchtet Geraldine Dany-Knedlik vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. »Die Kürzungen im Bundeshaushalt belasten die Konjunktur.«

Erzwungen wurden sie vom Bundesverfassungsgericht. Mit seinem Urteil vom 15. November kippte es Kreditermächtigungen auf Vorrat im Rahmen der Schattenhaushalte. Diese sollten den Verschuldungsrahmen über die kommenden Jahre hinweg ausweiten, ohne dabei die Grenzen der Schuldenbremse zu überschreiten. Das Urteil hat gleich mehrere öffentliche Etats durcheinandergewirbelt: den Bundeshaushalt 2023 sowie den Entwurf für 2024. Aber auch einige Landeshaushalte gerieten durch die klargestellte Rechtslage ins Wanken.

Allein in den Bundeshaushalt reißt das Urteil mittelfristig ein 60-Milliarden-Loch. Das DIW hat daher seine Konjunkturprognose für 2024 und 2025 nach unten revidiert. Die Ausgabenkürzungen werden das Wachstum 2024 und 2025 voraussichtlich um 0,3 beziehungsweise 0,2 Prozentpunkte drücken, erwarten die Berliner Konjunkturforscher. Dabei treffen diese Haushaltskürzungen auf eine bestehende Gemengelage aus schwachem Wachstum, hohen Zinsen und trüben Geschäftserwartungen in den Unternehmen.

Die Ungewissheiten über die konkrete Ausgestaltung des Ampelkompromisses im Detail belastet ebenfalls. Darüber wird in den kommenden Tagen und Wochen noch zwischen den drei Regierungsparten gerungen werden. Sicher ist, dass die bisher vom Bund finanzierte milliardenschwere Plastikabgabe künftig von der Industrie finanziert werden soll. Käufer von Elektroautos sollen früher als ursprünglich geplant auf ihre staatliche »Umweltprämie« verzichten, und die Steuer auf Flugbenzin wird erhöht. Sparen will die Ampel auch bei Subventionen für Stromverbrauch, Heizen und Tanken. Gleichzeitig plant die Bundesregierung, den CO2-Tonnenpreis zum 1. Januar zu erhöhen. Allerdings ohne, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, Mehreinnahmen an die Bürger über ein »Klimageld« wieder auszuschütten.

Der von der Bundesregierung vorgelegte Haushaltsentwurf sei zwar »kein brachialer Austeritätshaushalt«, sagt Sebastian Dullien, Leiter des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in Düsseldorf, auf nd-Anfrage. Er kürze aber Ausgaben an verschiedenen Stellen und beinhalte Abgabenerhöhungen, und all das habe negative Effekte auf das Wachstum. »Es wird das getan, was VWL-Lehrbücher unisono als falsch darstellen: Es wird in einen Abschwung hinein das staatliche Defizit gesenkt«, so Dullien. Das sei schon nach dem alten Haushaltsentwurf so gewesen, jetzt werde die Konjunktur noch etwas stärker gebremst. »So ist der Haushalt 2024 in der Summe ein volkswirtschaftlicher Fehler, der die Gefahr erhöht, dass die deutsche Wirtschaft auch kommendes Jahr leicht schrumpfen wird.«

Die Maßnahmen der Bundesregierung werden außerdem die Preise in die Höhe treiben. »Die Ampel-Koalition löst mit ihrem Schrumpfhaushalt all die belastenden Folgen aus, die der Schuldenbremse zuzurechnen sind«, kritisiert der Bremer Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel gegenüber »nd«. Gesamtwirtschaftlich werde prozyklisch der Trend zur Rezession verstärkt, und der private Konsum werde schrumpfen, sorgt sich Hickel wie auch das IMK. Die Anhebung der CO2-Abgabe werde viele Preise puschen: für Benzin, Diesel und Gas. Das gelte aber auch für Strom infolge der Streichung der Bundeszuschüsse für das Netzentgelt, welche bisher die privaten Haushalte entlastet haben. »Da die Inflation vorrangig durch die Energiepreise bestimmt wird, verstärkt die Schrumpfpolitik die Inflationsgefahr«, meint Hickel.

Den Wissenschaftler ärgert besonders, dass die Bundesregierung kein Wort für den sozialen Ausgleich übrig hat und notwendige Investitionen in den ökologischen Umbau nun ausgebremst werden – während weiterhin Chipfabriken in Magdeburg und Dresden mit einem zweistelligen Milliardenbetrag aus dem Bundeshaushalt finanziert werden sollen. »Jetzt schon ist klar, die gigantischen Kosten dieses Verzichts auf gestaltende Politik werden den nachfolgenden Generationen vererbt«, sagt Hickel. Und was geschieht nach 2024: Eine Abschaffung oder Modernisierung der Schuldenbremse hält er für unwahrscheinlich, da im Bundestag dafür die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit fehlt. Realistischer erscheint ihm eine andere Option: die Schaffung eines Sondervermögens Klimaschutz, das in der Verfassung verankert wird und somit von der Schuldenbremse ausgenommen ist.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal