Das BSW verbindet sonderbare Widersprüche

Im Politikentwurf des Linkskonservatismus von Sahra Wagenknecht passt einiges nicht zusammen

Am Montag ist etwas passiert, worauf viele Menschen gewartet haben – freudig, gespannt oder skeptisch: Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat sich als Partei gegründet. Ende Januar folgt der erste Parteitag. Dann und in der Folge wird es wohl ausführlichere inhaltliche Positionen geben; die bisherigen aus dem Gründungsmanifest vom Herbst sind einigermaßen vage.

Wagenknechts Linkskonservatismus lässt erheblichen Spielraum für Interpretationen und Fragen. Und für Widersprüche. Im zentralen Feld der Sozialpolitik ist das deutlich ablesbar. Was erst recht dadurch brisant wird, dass ein Hauptvorwurf Wagenknechts an die Linkspartei ist, das Soziale vernachlässigt zu haben.

Nicht nur dass im Gründungsmanifest mit keiner Silbe von Gewerkschaften und Tarifkämpfen die Rede ist, dafür vom unternehmerischen Mittelstand. Wagenknecht plädierte etwa in der Debatte über das Bürgergeld dafür, junge Menschen, die Qualifizierungsangebote ablehnen, zu sanktionieren – ihnen also das Bürgergeld, das das Existenzminimum sichern soll, zu kürzen. In die gleiche Kategorie fällt ihre Forderung, Leistung für Asylbewerber zu kürzen, um die ihrer Meinung nach ungeregelte Zuwanderung einzudämmen.

Bei der Vorstellung der neuen Partei war auch Thomas Geisel, Ex-Oberbürgermeister von Düsseldorf, zugegen. Er ist BSW-Kandidat für die Europawahl. In einer ausführlichen Mail begründet er seinen Schritt, behauptet darin sogar, einer der Spitzenkandidaten werden zu wollen. Die SPD verlässt er, weil sie sich »in Zeiten eines gravierenden Fachkräftemangels vom Prinzip des Förderns und Forderns« aus der Kanzlerschaft Gerhard Schröders verabschiedet habe. Von der Hartz-IV-Praxis also, die allerdings in Form neuer Sanktionen beim Bürgergeld durch die Hintertür zurückkehrt.

Das ist bemerkenswert: Ein Bis-eben-noch-Sozialdemokrat, der beim BSW für höhere Aufgaben vorgesehen ist, trauert Hartz IV nach. Das Hartz-System, eine drastische Verschärfung der Sozialpolitik, hatte maßgeblich zum Bruch zwischen Schröder und Oskar Lafontaine auf Jahrzehnte geführt. Lafontaine wiederum ist einer der Planer und Ratgeber des BSW. Warum glaubt ein Mann wie Thomas Geisel, beim BSW richtig zu sein, das doch die bessere Sozialpolitik machen will?

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Die neue Partei soll nicht ewig Bündnis Sahra Wagenknecht heißen. Nach der Bundestagswahl 2024, wenn sie sich etabliert hat – so die Hoffnung der Gründer –, könne der Name geändert werden. Vielleicht sieht man bis dahin auch klarer, wie die ziemlich verschiedenen Bausteine zusammenpassen sollen. Vorerst aber lässt sich BSW auch mit Bündnis sonderbarer Widersprüche übersetzen.  

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