Dreikönigstreffen der FDP: Gelbe Durchhalteparolen

Der FDP gelingt es nicht, bei ihrem Jahresauftakt eine Aufbruchstimmung zu vermitteln

Christian Lindner redete eine Stunde lang beim Dreikönigstreffen in Stuttgart – neue, auf die Zukunft aufgerichtete Wege skizzierte er aber nicht.
Christian Lindner redete eine Stunde lang beim Dreikönigstreffen in Stuttgart – neue, auf die Zukunft aufgerichtete Wege skizzierte er aber nicht.

Ein Knacks geht durch die FDP. Das machte die Mitgliederbefragung jüngst klar: Nur 52 Prozent der Mitglieder haben sich zum Jahreswechsel für einen Verbleib der Liberalen in der Koalition ausgesprochen. Die FDP ist in einer misslichen Lage; sie bleibt weiter in der zerstrittenen Ampel-Koalition und kommt aus dem Umfragetief nicht heraus. Auch im neuen Jahr deutet einiges darauf hin, dass sich die Misserfolgsserie bei der Europawahl im Juni und den Landtagswahlen im Herbst in Sachsen, Thüringen und Brandenburg fortsetzen könnte.

Auf dem traditionellen Dreikönigstreffen am Samstag ist es der Parteispitze in Stuttgart auch nicht gelungen, eine Aufbruchstimmung zu erzeugen. »Alles außer unentschieden« lautete das Motto des Jahresauftakts der Liberalen. »Die Bundesregierung handelt«, betonte Parteichef Christian Lindner während seiner fast einstündigen Rede. »Sie ist nicht fehlerfrei – wer wäre das. Aber wir entscheiden mehr richtig als falsch, denn sonst würde die FDP dieser Regierung nicht angehören.« Lindner versuchte ein Signal an jene Mitglieder zu senden, die sich gegen ein Fortsetzen der Koalition ausgesprochen hatten, und erhielt den gewohnten Applaus seiner Anhänger im prunkvollen Opernhaus.

Der Kitt in der kriselnden Koalition soll eine erstarkende Wirtschaft sein. Lindner warb entsprechend für eine wachstumsfördernde Politik, die den finanziellen Spielraum des Staates durch steigende Einnahmen erweitern soll: »Mein Vorschlag ist: Sorgen wir doch dafür, dass eine wieder starke und wachsende Wirtschaft uns die Mittel zur Verfügung stellt, die wir brauchen für Soziales, Ökologisches und die Sicherheitspolitik.«

Das dürfte allerdings schwierig werden, denn die Haushaltslage bleibt angespannt. Spielraum für Investitionen gibt es kaum. Der Bundesfinanzminister sprach sich dafür aus, eine sparsame Ausgabenpolitik beizuhalten. »SPD und Grünen schwant, dass die ganzen sozialpolitischen und auch ökologischen Vorhaben, die diese Parteien haben, im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld nur sehr schwer unter großen Anstrengungen zu realisieren sind.« Manche träumten weiterhin von Steuererhöhungen oder einer Umgehung der Schuldenbremse. Er versprach, dass es das mit ihm nicht geben werde. Lindner positionierte die FDP als marktwirtschaftliches Korrektiv im Regierungsbündnis und stimmte seine Parteifreunde damit auf weitere Konflikte in der Koalition ein.

Generalsekretär Bijan Djir-Sarai unterstrich dies in seiner Rede. Die Aufgabe der Liberalen in der Regierung sei es, »in jeder Diskussion« daran zu erinnern, dass erst erwirtschaftet werden müsse, bevor verteilt werden könne. Die FDP wolle eine solide Haushaltspolitik, mehr Wettbewerbsfähigkeit und eine größere Attraktivität des Standorts Deutschland zusammenbringen: »Mit diesen Fragen werden wir uns beschäftigen«, erklärte er, weil die anderen in der Koalition dies nicht tun würden.

Dieses Festhalten an einer Programmatik, die schon soviel Streit in die Ampel-Koalition gebracht hat, hält die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch von der Akademie Trutzing für problematisch. Die stete Betonung der liberalen Grundüberzeugungen verschrecke viele Wechselwähler, erklärte sie gegenüber der ARD. Die sähen darin vor allem eine Politik des Verhinderns und kein aktives Gestalten. Auch nach dem Parteitag bleibt also fraglich, ob es der FDP gelingt, aus dem anhaltenden Umfragetief herauszukommen.

Bei der im Juni anstehenden Europawahl soll Marie-Agnes Strack-Zimmermann für die Liberalen ins Rennen gehen. Sie vermochte mit einer markigen Rede am ehesten, beim liberalen Anhang eine Aufbruchstimmung zu erzeugen. Das Publikum lockte sie mit einem Europa ohne Grenzen, in dem sich junge Leute niederlassen könnten. »Was für ein Gewinn, es lohnt sich für Europa zu kämpfen«. Sie kritisierte den Bürokratismus der EU – was nicht überraschte – und machte dafür vor allem EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) verantwortlich. »Wir brauchen weniger von der Leyen und mehr von der Freiheit.« Solche Sätze kamen beim Publikum an. Ebenso wie die Warnung vor einem Erstarken von antidemokratischen Kräften. Mit Blick auf die Zeit nach der EU-Wahl sagte sie: »Ich möchte nicht, dass dann die Kacke hier am Dampfen ist, und zwar braun und rot.« Den Wählern müsse klar sein: »Die Nationalisten sind toxisch und gefährlich.« Die AfD und die geplante Wagenknecht-Partei seien Kräfte, die »in die EU reinwollen, um sie von innen kaputtzumachen.«

Auch Zwischentöne begleiteten das liberale Dreikönigstreffen. In der Oper demonstrierten Umweltschützer für das Klimageld, und vor den Türen hatten sich Landwirte versammelt, um gegen die Kürzung von Subventionen zu protestieren. Lindner appellierte im Saal, dass sich die Bauern nicht instrumentalisieren und unterwandern lassen sollten: »Sie haben sich verrannt, bitte kehren Sie um.« Auch mit dem Jahresauftakt der FDP erhärtet sich der Eindruck, als würden die Liberalen die Sorgen und Nöte der Bevölkerung nicht ernst nehmen.

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