Ex-Senator Peter Kurth und Gothia: Braune Verbindungen

Berlins Ex-Finanzsenator Peter Kurth (CDU) als Funktionär von extrem rechter Burschenschaft enttarnt

Die Verbindungen des ehemaligen Berliner Finanzsenators Peter Kurth (CDU) ins rechtsextreme Millieu greifen offenbar tiefer als zunächst angenommen. So soll er jahrelang im Vorstand der Altherrenvereinigung der Burschenschaft Gothia gewesen sein, wie der »Spiegel« berichtet. Die in Zehlendorf ansässige Verbindung gilt als diejenige der Berliner Burschenschaften, die am offensten rechtsextren auftritt. Zudem soll Kurth größere Summen in ein Hausprojekt der ebenfalls rechtsextremen Identitären Bewegung in Chemnitz investiert haben.

Bereits in der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass Kurth, der zu Beginn des Jahrtausends eine der zentralen Akteure in der Berliner Landes-CDU war, in seiner Privatwohnung mindestens ein größeres Treffen abhielt, bei dem AfD-Funktionäre mit parteilosen Rechtsextremen zusammenkamen. Neben den neofaschistischen Vordenkern Götz Kubitschek und Martin Sellner waren dort auch der AfD-Europa-Spitzenkandidat Maximilan Krah und die Berliner Landesvorsitzende Kristin Brinker anwesend.

Kurths erste Schritte im rechten Millieu liegen allerdings offenbar deutlich länger zurück. Seit 2014 führt ihn das Vereinsregister als Vorstandsmitglied der Altherrenverbindung der Gothia, seit 2023 ist er ihr Vorsitzender. Der eingetragene Verein verwaltet einen Teil des Vermögens der Burschenschaft.

Dass Kurth die politische Ausrichtung der schlagenden Verbindung unbekannt war, ist unwahrscheinlich. Die Gothia macht seit Jahren immer wieder Schlagzeilen mit rechten Ausfällen; an den Berliner Unis sind zahllose Flyer, die über die Burschenschaft aufklären, im Umlauf. Im Rahmen von Vortragsabenden traten Neonazis wie der Holocaustleugner Horst Mahler im Verbindungshaus der Gothia auf. 2016 zeigten Fotos, dass während eine Grillfeier im Garten des Verbindungshauses eine Regenbogenfahne verbrannt wurde. Im gleichen Jahr übernahm die Gothia den Vorsitz des Verbindungsdachverband Deutsche Burschenschaft. Nur wenige Monate davor hatte eine Kommission dessen Bundesvorstand empfohlen, Studierenden »nicht-abendländischer Abstammung« die Aufnahme in Mitgliedsburschenschaften zu verweigern.

Der bereits seit 1877 bestehenden Burschenschaft gehörten auch zahlreiche NS-Täter an, darunter der in Nürnberg verurteilte Kriegsverbrecher Ernst Wilhelm Bohle. Ein Bruch mit dieser Tradition ist nicht zu erkennen. Die Gothia beteiligte sich mehrere Male neben SS-Veteranenverbänden und NPD an einem »Heldengedenken« für Wehrmachtssoldaten am Volkstrauertag auf dem Neuköllner Friedhof am Columbiadamm. In einem offenbar bis mindestens 2022 intern verwendeten Handbuch, der sogenannten Fuxenmappe, wurde in einem Musterbrief als Absender die Adresse »Reichskanzlerplatz 1, 1000 Berlin 33« angegeben, als Empfänger »Schlomo Schleimer, Wiesenthalgasse 6c«, wie das »Antifaschistische Info Blatt« aus einem Leak zitiert.

Seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts versucht sich die Gothia als Verbindungsstelle von parteipolitisch gebundenen und ungebundenen Rechtsextremen zu positionieren. So stellt das neurechte Institut für Staatspolitik bevorzugt hier neue Bucherscheinungen vor. Zahlreiche »Gothen« sind inzwischen für die AfD tätig. Dazu gehören Kandidaten für die Abgeordnetenhauswahlen und Landesvostandsmitglieder der Jugendorganisation Junge Alternative. Zu den Vortragsgästen im Verbindungshaus gehören zahlreiche prominente AfD-Politiker. Ein beträchtlicher Teil der Mitglieder seien als studentische Mitarbeiter für AfD-Abgeordnete tätig, sagte ein Verbandsbruder 2021 zur FU-Campuszeitung »Furios«. 2016 veranstaltete der AfD-Landesverband Berlin sein Sommerfest im Garten des Verbindungshauses.

Aber auch CDU-Mitglieder weiß die braune Burschenschaft in ihren Reihen. Michael Büge musste 2013 von seinem Posten als Staatssekretär in der Senatssozialverwaltung zurücktreten, nachdem seine Gothia-Mitgliedschaft bekannt geworden war. Aktuell gehören der Altherrenverbindung noch mehrere eher unbedeutendere lokale Funktionäre an. Ein prominenter Name kappte dagegen alle Verbindungen, nachdem die Enthüllungen um Peter Kurth bekannt wurden: »Wer mich kennt, weiß, dass ich mich von allen Formen von Extremismus distanziere«, teilte das Abgeordnetenhausmitglied Robbin Juhnke (CDU) am Freitag mit. Der Neuköllner Abgeordnete gilt als Experte für Innenpolitik und gehört auch dem Präsidium des Parlaments an.

Nach eigenen Angaben war Juhnke nie Mitglied der Gothia selbst, sondern nur von deren Ableger für Oberschüler, der Iuvenis Gothia – die ihrem Mutterverband allerdings in Radikalität kaum nachsteht. So hielt der Betriebswirtschaftsprofessor Bernhard Bellinger im Jahr 2000 auf einem Bundestreffen von Schülerverbindungen, bei dem die Iuvenis Gothia als Gastgeber fungierte, einen Vortrag, in dem er Hitlers Russlandfeldzug als »Präventivkrieg« bezeichnete und den Holocaust mit Verweis auf deutsche Opfer im Zweiten Weltkrieg relativierte, wie der »Stern« dokumentierte.

Juhnke will »seit etlichen Jahren dort an nichts mehr teilgenommen« haben, wie er in einer Pressemitteilung festhält. Laut Spiegel soll er allerdings noch in Gothia-Mailverteilern auftauchen. »Diese Passivität habe ich zum Anlass genommen, meine Mitgliedschaft heute auch formal zu beenden«, so Juhnke weiter. Seine Fraktion sieht damit, so zumindest Vorsitzender Dirk Stettner, die Sache als erledigt an. Aus der Opposition gibt es dagegen weiter Kritik: »Die CDU muss aufklären, weshalb der Abgeordnete Juhnke bei der rechtsextremen Burschenschaft Gothia als Bundesbruder geführt wird. Eine Verbindung in extrem rechte Kreise wäre mit dem Amt im Präsidium des Abgeordnetenhauses unvereinbar«, erklärte am Freitag der Linke-Fraktionsvorsitzende Carsten Schatz.

Für Juhnke ist es nicht das erste Mal, dass er wegen Kontakten zu Burschenschaften in Kritik gerät. 2013 erreichten ihn Rücktrittsforderungen, nachdem bekannt wurde, dass er bei der Würzburger Burschenschaft Teutonia Prag einen Vortrag gehalten hatte. Während des Vortrags habe er »nicht den geringsten Eindruck gehabt, dass dort Personen seien könnten, die extremistische Positionen vertreten«, sagte er damals zur »Berliner Morgenpost«. Eine Aussage, die neuere Entwicklungen in Zweifel stellen: Nachdem im Zuge der Ermittlungen gegen den bayerischen Abgeordneten und »Teutonen« Daniel Halemba das Teutonia-Verbindungshaus durchsucht wurde, wurde bekannt, dass dort zahlreiche NS-Devotionalien offen ausgestellt werden. Juhnke muss diese offenbar übersehen haben.

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