Reform der Schuldenbremse: Weiser Ruf gegen Lindner

Kurt Stenger über das Reformkonzept der Wirtschaftsweisen

Über viele Jahre teilte sich die deutsche Wirtschaftswissenschaft in einen Mainstream aus Nationalkonservativen und Neoliberalen, denen sich einige wenige linke Keynesianer entgegenstellten. Doch die Zunft ist heute heterogener und auch heterodoxer. Ein Grund ist die gewachsene Bedeutung der Politikberatung, die praktische Probleme zu lösen versucht – starre Modelle und Dogmen stehen dem im Weg. Dies zeigt gerade der Umgang mit der Schuldenbremse, die lange als heiliger Gral galt und in der jetztigen Form selbst bei industrienahen Ökonomen auf Kritik stößt. Das Gekrampfe bei der Aufstellung des Haushalts 2024, das sich in den nächsten Jahren fortzusetzen droht, ruft nach Veränderung.

Und so überrascht es nicht, dass der Sachverständigenrat der fünf Weisen in seltener Einmütigkeit ein Reformkonzept entworfen hat und es medienwirksam zu Beginn der Haushaltswoche vorstellt. So führt man die Show von Finanzminister Christian Lindner (FDP), der sich im Bundestag dafür lobt, wie toll er das trotz aller Schwierigkeiten hingekriegt hat, fachlich ad absurdum. Das Zusammenkratzen von Geldern für wichtige Investitionen und das Gezerre um Kürzungen wären nicht nötig gewesen, würde man die starren Schuldenregeln lockern und flexibler gestalten.

Den Politikberatern geht es nicht um Verteilungsgerechtigkeit oder die Öffnung der finanzpolitischen Schleusen, sondern um mehr Spielräume auch mit Blick auf die Konjunkturlage. Dies ist noch keine linke Wirtschaftspolitik – die Umsetzung des Weisen-Rufs würde dieser aber Möglichkeiten eröffnen.

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