Realitätsverlust de luxe

Peter Steiniger zu den falschen Prioritäten des EU-Sondergipfels

Für das Enfant terrible gab es auf dem Brüsseler Treffen der Staats- und Regierungschefs nicht mehr als symbolische Zugeständnisse: Der Rückzug seines Vetos gegen das gigantische Finanzpaket für Kiew war für Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán letztlich alternativlos. Zuvor hatten ihm die Oberhäupter der EU-Familie die Instrumente gezeigt. Ungarns Blockade könne man umgehen, dessen Stimmrecht einkassieren und das Donauland mit einem Zahlungsstopp abstrafen. Orbán muss sich damit zufriedengeben, dass ihm die dicke Hose in Brüssel zuhause viel Prestige verschafft hat.

Der Vorgang lässt hinter die Fassade europäischer Einigkeit blicken, denn die Machtdemonstration galt nicht allein dem störrischen Ungarn mit dem Etikett Rechtspopulist. Es war ein Gemeinschaftswerk der Brüsseler Spitzen mit denen der drei größten Volkswirtschaften der EU, Deutschland, Frankreich und Italien. Kanzler Scholz und Präsident Macron, beide wackere Demokraten, beide innenpolitisch angeschlagen, steuerten den Gipfel – nie wieder ist jetzt – im Bunde mit der konservativ angemalten Faschistin Meloni zum anvisierten Ziel.

Was als Sieg über Orbán und Hilfe für die Ukraine gefeiert wird, ist realitätsfern. Denn der EU-Politik fehlt weiter eine politische Strategie, um das Ausbluten des Landes zu stoppen, nachdem das Märchen von Russlands Ruin und einem Siegfrieden dank westlicher Wunderwaffen ausgeträumt ist. Statt den Tatsachen ins Auge zu blicken, gießt die EU als indirekte Kriegspartei mit weiterer Aufrüstung immer mehr Öl ins Feuer. Die Leerstelle Diplomatie kommt Europa teuer zu stehen.

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