- Politik
- »Tag der Ehre«
Nazitreffen in Budapest: Zahmes Verbot umgangen
Internationaler Protest gegen Nazi-Aufmarsch mit tausenden Teilnehmern in der ungarischen Hauptstadt
Ein sinnloser Kampf kurz vor Ende des Krieges wird von Neonazis regelmäßig als »Tag der Ehre« verherrlicht und gefeiert. Im Februar 1945 hatten ungarische Streitkräfte und die Waffen-SS einen gemeinsamen Ausbruch aus dem von der Roten Armee eingekesselten Budapest versucht. Dem Historiker Krisztián Ungváry zufolge, Autor des Standardwerks »Die Schlacht um Budapest«, starben dabei 80 000 Rotarmisten und fast ebenso viele Deutsche und Ungarn.
Dieses Jahr zelebrierten die Nazis den Tag mit »Spaziergängen« zur Budaer Burg. Zuvor konnten sie in der Innenstadt ungestört eine vermeintlich spontane Kundgebung abhalten. Von der Festung aus zogen Tausende dann mit einem zur »Wanderung« erklärten Marsch in den Budapester Stadtwald. Es waren noch einmal deutlich mehr Teilnehmer als in den Vorjahren. Die Budapester Behörden hatten zuvor einer Kundgebung im Városmajor-Park keine Genehmigung erteilt.
Nach Beobachtungen der sozialdemokratischen Tageszeitung »Népszava« setzte sich die Menge der rechten Demonstranten sowohl aus eher unauffällig wirkenden Teilnehmern als auch aus solchen mit klar erkennbaren Nazi-Symbolen wie Hakenkreuzen und SS-Runen an der Kleidung zusammen. Einige trugen Uniformen der ungarischen Faschisten, der Pfeilkreuzler, etliche fielen als deutschsprachig auf.
Genau wie die kommunistischen Symbole Roter Stern sowie Hammer und Sichel sind Hakenkreuze, SS-Runen und das Emblem der Pfeilkreuzler in Ungarn verboten. Doch gegen das öffentliche Zurschaustellen der Nazisymbole schritt die Polizei nicht ein. An einer antifaschistischen Demonstration in der Nähe der NS-verherrlichenden »Wanderung« nahmen mehrere hundert Menschen teil, die von einem engen Polizeispalier begleitet wurden.
Einen offiziellen Anmelder für den getarnten Fascho-Aufmarsch gab es nicht. Das Begleitprogramm organisierte indes der ungarische Ableger des neonazistischen Skinhead-Netzwerks »Blood and Honour«. Auf dessen Homepage wurde für Samstag und Sonntag ein Musikfestival mit rechtsradikalen Bands angekündigt – an einem geheimen Ort, irgendwo in Ungarn.
Verschiedene antifaschistische Organisationen aus mehreren Ländern hatten unter der Losung »Stoppen wir die Verherrlichung der Nazis« zu Protesten aufgerufen. Aus Deutschland war auch die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) dabei. Bereits vorab war ein Bus mit Aktivisten aus Deutschland und Österreich auf der Strecke gestoppt und intensiv durchsucht worden. »Augenscheinlich war für die ungarische Polizei alles verdächtig, was mit dem Begriff Antifaschismus in Zusammenhang stand«, beklagt die VVN-BdA in einer Erklärung.
Zu den Teilnehmern einer Gegenveranstaltung am Holocaustmahnmal gehörten Mitglieder der Europäischen Linkspartei und der Vereinigung der Widerstandskämpfer und Antifaschisten (MEASZ) aus Ungarn sowie Antifaschisten aus Österreich und vom europaweiten Netzwerk »Stop Nazi Glorification«. Auf etlichen Transparenten waren anarchistische Symbole zu sehen. Die Redner prangerten den Rechtstrend der vergangenen Jahre an. Attila Vajnai von der Europäischen Linkspartei – einer Abspaltung der ungarischen Arbeiterpartei – forderte dazu auf, die Ehrung der Kämpfer gegen den Faschismus nicht zu vernachlässigen.
Ungarns linkes Nachrichtenportal »Mérce« berichtete über Kranzniederlegungen am Samstag am Denkmal für die antifaschistischen Widerstandskämpfer und am Sowjetischen Ehrenmal von Budapest. Es hob auch den Protest der VVN-BdA gegen Gleichsetzungen der Sowjetunion mit Nazideutschland hervor. Besonders Ungarn und die baltischen Staaten versuchten so, Mitverantwortung für Krieg und Völkermord zu relativieren. Die VVN-BdA hat angekündigt, die Proteste gegen des geschichtsrevisionistische Event in Budapest auch weiterhin zu unterstützen.
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