Valentinstag: Ein Mittelfinger fürs Patriarchat

Zum vierten Mal findet am Valentinstag die Demo »Rache am Patriarchat« gegen geschlechtsbezogene Gewalt statt

  • Jule Meier
  • Lesedauer: 4 Min.
Unmut über sexualisierte Gewalt: Am Valentinstag wollen feministische Gruppen demonstrieren.
Unmut über sexualisierte Gewalt: Am Valentinstag wollen feministische Gruppen demonstrieren.

Es ist der 7. Januar 2020. Die Investigativreporterin Patrizia Schlosser veröffentlicht im Reportageformat »STRG_F« einen Beitrag zu sexualisierter Gewalt auf dem linken Festival »Monis Rache«, das von 2016 bis 2018 in Mecklenburg-Vorpommern stattfand. Ein Aufschrei geht durch die linke Szene, denn Schlossers Reportage zeigt, wie ein Mitglied des Festivalteams heimlich Videos von Vulven auf dem Dixieklo aufnimmt und auf einer Pornowebsite veröffentlicht und verkauft.

»Nach dem Bekanntwerden des veröffentlichten Filmmaterials von ›Monis Rache‹ waren unglaublich viele Menschen einfach unglaublich sauer«, erzählt Alex im Gespräch mit »nd«. Alex organisiert gemeinsam mit Eva die jährlich am Valentinstag stattfindende Demo, die ins Leben gerufen wurde, »um gegen die Übergriffe auf dem Festival ›Monis Rache‹ laut zu werden«, und ausschließlich für »Flinta-Personen, also Frauen, Lesben, inter, nichtbinäre, trans und agender Personen« organisiert wird.

Die Demo sei ist nicht nur als Reaktion auf die sexualisierte Gewalt in der linken Szene, sondern auch auf deren Umgang damit entstanden. Im Fall »Monis Rache« geht es um den feministischen Anspruch des Festivals in Widerspruch zu dem unverantwortlichen Umgang mit den Betroffenen sexualisierter Gewalt. Denn Teile der Festivalveranstaltenden wussten bereits vor der Veröffentlichung der »STRG_F«-Reportage von den nicht konsensual aufgenommenen Pornos und waren ausschließlich in Kontakt mit dem Täter.

Die Frage nach dem Umgang mit dem Täter und der Tatsache, dass sexualisierte Gewalt auch in linken Kreisen nicht ausbleibt, zeigt noch ein weiteres prominentes Beispiel, auf das Eva im Gespräch mit »nd« verweist. Johannes Domhöver war ein Beschuldigter im Antifa-Ost-Verfahren. Nach einer Anklage wegen Vergewaltigung bot Domhöver sich als »Kronzeuge« im Prozess an und verriet seine Genoss*innen. Vor Gericht wurde er mithilfe eines linken Anwalts von der Anklage der Vergewaltigung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung freigesprochen und kam mit einer leichten Bewährungsstrafe wegen Körperverletzung ins Zeugenschutzprogramm.

»Die Diskussion über Antifa-Ost und Domhöver führte zu größeren Debatten über Outcalls und der Frage, mit wem man sich organisiert und mit wem man spricht und mit wem nicht«, sagt Eva, die meint, dass sich in den vergangenen Jahren »etwas bewegt in der Linken bezüglich des Umgangs mit sexualisierter Gewalt«. Sie verweist auf das 2023 erschienene Buch »Piss on Patriarchy« der »Gruppe Mora«, das sich mit den Betroffenen sexualisierter Gewalt bei »Monis Rache« auseinandersetzt.

»Klar ist: Cops sind nicht die Lösung, sich nur auf die Täter zu fokussieren und das Problem unter den Teppich zu kehren, auch nicht. Gleichzeitig ist es auch wichtig, dass wir innerhalb der Linken funktionsfähig bleiben«, erwidert Alex und verweist auf ein weiteres Anliegen der Demo. »Wir wollen mit Queerness mit der Idee der Kleinfamilie brechen«, sagt Alex. Denn diese sei eine kapitalistische Idee, die dem feminisierten Körper eine rein reproduktive Funktion zuweise. Es sei auch Ziel, am Valentinstag klarzumachen, dass Beziehungen viel mehr seien als »heteronormative Zweierromantik«.

Der weibliche Körper als umkämpfter Ort im Kapitalismus ist nicht nur der Titel eines Buches der Feministin Silvia Federici, sondern findet sich auch im Demoaufruf wieder, der sich auf »sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe« bezieht und sich mit Genoss*innen aus dem »Iran, Afghanistan, in der Ukraine, in Israel und Palästina« in »Kämpfen gegen patriarchale Gewalt« solidarisiert.

Es ist der Körper als Maschine, der in den feminisierten Berufen funktionieren soll ohne Betriebsstörungen. »Wir müssen bessere Arbeitsbedingungen im Care-Bereich schaffen, eine gerechtere Arbeitsteilung der Care-Arbeit und wegkommen vom Individualisieren von Pflege«, meint Alex. Auch dies sei Teil eines radikalen Feminismus.

Eva meint, dass dieses Jahr »der aufkommende Faschismus und das Erstarken der AfD stärker im Fokus« seien und hofft auf eine kraftvolle Demonstration und »wenig staatliche Repression«. Denn obwohl »es mehr Bewusstsein für strukturelle Gewalt« von staatlicher Seite gebe, habe die Repression in den vergangenen Jahren zugenommen. Dabei seien Beleidigungen seitens der Polizei »auch häufig aufs Geschlecht heruntergebrochen« gewesen.

Die Demonstration startet am 14. Februar um 18 Uhr am Gesundbrunnen; es sind ausschließlich Frauen, Lesben, inter, nichtbinäre, trans und agender Personen erwünscht.

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