Glanz und Krawall: Auf einen Margarita mit dem Teufel

Im Heimathafen Neukölln wird Franz von Suppès Operette »Der Teufel auf Erden« auseinandergenommen und neu zusammengesetzt

Teufelszeug? In Berlin-Neukölln versucht man sich an der Wiener Operette.
Teufelszeug? In Berlin-Neukölln versucht man sich an der Wiener Operette.

Wer das Berliner Musiktheaterkollektiv Glanz und Krawall kennt, der weiß, was er zu erwarten hat: eine gutgelaunte Klassikerzertrümmerung. Dabei heißt das Lieblingsopfer Richard Wagner. Aber wer legt sich schon gerne fest? Und so suchen die Theatermacher auch nach anderen Angriffsflächen im Kanon der bekannten und weniger bekannten Musiktheaterwerke.

Jetzt steht bei Glanz und Krawall erstmals eine Operette (Wiener Provenienz) auf dem Spielplan, die an diesem Freitag im Heimathafen in Berlin-Neukölln Premiere feiern wird. Franz von Suppè ist der Komponist der Wahl, »Der Teufel auf Erden« das auserkorene Stück, dessen Titel man guten Gewissens zu »Stadt der Teufel« umdeuten kann, weil mit der Schöpfung aus dem vorvergangenen Jahrhundert auf denkbar freieste Art umgegangen wird. Ein bisschen Operette steckt noch drin, erweitert um wilden Punk und eher ironisch-seichte Töne aus dem Popbereich.

Und wie steht es um die Handlung in dieser heute kaum jemals gegebenen kleinen Oper? Der Oberteufel Satanas hat es nicht leicht, seine Unterteufel proben den Aufstand und wollen die Demokratie im Höllenreich. Der macht sich zur Stützung der althergebrachten Ordnung auf die Suche nach seinen Ministern Beelzebub, Lucifer und Samuel, die es sich aber incognito auf der Erde gemütlich gemacht haben. Es wartet also Arbeit auf den Oberteufel, ehe sich am Ende alles operettenhaft-gütlich in Wohlgefallen auflöst.

Bei Glanz und Krawalls »Stadt der Teufel« bleibt von Suppès dämonischer Szenenfolge nur ein Gerüst stehen, das durch Motive aus Michail Bulgakows meisterlichem – etliche Male auf die Bühne gebrachten und ebenso häufig verfilmten – Roman »Meister und Margarita« aufgefüllt wird. Nun muss sich der Satanas aus dem 19. Jahrhundert mit der Margarita aus dem sowjetischen Jahrhundert herumschlagen.

Das verbindende Element ist offensichtlich: das Teuflische. Darüber hinaus bleibt es eine kühne Konstruktion. Die restaurative Teufelsmacht, die gegen das bürgerlich-freiheitliche Aufbegehren von unten resistent ist, aus Suppès Feder hat wenig mit Bulgakows Opus über Bürokratismus und Willkür als Säulen stalinistischer Herrschaft zu tun. Glanz und Krawall versuchen aber das eine wie das andere in die Gegenwart zu ziehen und mit Kämpfen aus Hauptstadt von heute zu verbinden.

So gehen die zwei Handlungen nicht ineinander auf, sondern prallen immer wieder aufeinander. Am stärksten ist der Musiktheaterabend jedoch, wenn hier doch noch große Operette stattfindet, wenn der Quartierchor Nachtigall aus Neukölln wirkungsvoll die Szene betritt und wenn Suppè erklingt. Denn mit dieser absurd-komischen Kunstform zwischen leichter Muse und anarchischem Geist kann es der Punk aus dem 21. Jahrhundert fast nicht aufnehmen. Auch wenn Glanz und Krawall in alle Richtungen ballern: gegen Gentrifizierung und für Umverteilung, gegen das Patriarchat und die Rockopas, gegen christdemokratische Stadtfestgemütlichkeit, für die Teufel da unten und gegen die Teufel auf der Erde.

Irgendwann hat an diesem zweistündigen Abend dann jeder ein bisschen auf die Fresse bekommen. So ganz weiß man allerdings nicht, wohin das führt. Aber das ist vielleicht auch Nebensache, wenn es mit dem Teufel zugeht.

Premiere: 22. März
Weitere Vorstellungen: 23. März, 12. und 13. April
www.heimathafen-neukoelln.de

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