Sachsen: Protest gegen »Genderverbot« an Hochschulen

Sachsens Wissenschaftsminister untersagt geschlechtsneutrale Sprache auch an Unis. Studierende verurteilen das

  • Yaro Allisat
  • Lesedauer: 3 Min.
Konservative und rechte Kräfte protestieren immer wieder gegen vermeintlichen Zwang zum Gendern, so wie die Volksinitiative »Stoppt Gendern in Niedersachsen«, die hier am 25. September in Hannover ein Verbot forderte.
Konservative und rechte Kräfte protestieren immer wieder gegen vermeintlichen Zwang zum Gendern, so wie die Volksinitiative »Stoppt Gendern in Niedersachsen«, die hier am 25. September in Hannover ein Verbot forderte.

Schon vor einem Jahr hatte Sachsens Staatsministerium für Kultus (SMK) ein »Genderverbot« an Schulen und in Verwaltungsorganen verfügt. Es besagt, dass »geschlechtergerechte Sprache« zwar erwünscht ist. Dafür dürfen aber weder in Aufsätzen von Kindern und Jugendlichen noch in Schreiben von Schulen und Ämtern Sonderzeichen wie Sternchen oder Unterstriche verwendet werden.

Ende September stellte nun das CDU-geführte Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus (SMWK) klar: Der entsprechende Erlass gilt auch für Hochschulverwaltungen und staatliche Studiengänge.

Das sorgt nicht nur in den Verwaltungen selbst, sondern auch unter Studierenden für Unmut. Am Montag verurteilte die Konferenz Sächsischer Studierendenschaften (KSS) in einer gemeinsamen Erklärung dieses Vorgehen. Man sehe »einen unnötigen Eingriff in die Autonomie der Hochschulen und die Freiheit von Studierenden und Lehrenden, Sprache als Mittel zur Gleichstellung und Inklusion einzusetzen«, heißt es darin. Das Verbot stehe im Gegensatz zu dem Ziel, Vielfalt und Offenheit zu fördern.

KSS-Sprecher Paul Steinbrecher betonte, jeder sollte selbst entscheiden können, in welcher Form geschlechtergerechte Sprache genutzt werde. »Vorschriften dazu sind unnötig und greifen in unsere persönliche Freiheit ein«, so Steinbrecher. »Es gibt viele dringende Probleme an den sächsischen Hochschulen. Das Verbot von geschlechtergerechter Sprache mit Sonderzeichen gehört definitiv nicht dazu«, stellt er klar.

Insbesondere in Verordnungen, Richtlinien und Akten, auf Urkunden und in Stellenausschreibungen dürfen Binnen-I, Doppelpunkt oder Sternchen laut der ministeriellen Vorgabe nicht auftauchen. Zudem soll das Amtliche Regelwerk zu Sprachregelungen auf die staatlichen Studiengänge, insbesondere die Lehrkräftebildung, angewendet werden.

Der Grund für die aktuelle Klarstellung von Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU) zum Thema war eine Anfrage der Prorektor*innen für Bildung der TU Chemnitz, der TU Dresden und der Universität Leipzig an das SMWK und das SMK gewesen. Sie hatten Ende Juni um Auskünfte dazu gebeten.

An Sachsens Schulen war das Verbot von Sonderzeichen bereits vor mehr als einem Jahr eingeführt worden. Seitdem ist ihre Verwendung in schriftlichen Arbeiten von Schüler*innen, in Verwaltungsangelegenheiten und Schreiben der Schulen nicht mehr erlaubt. Zahlreiche Vereine, unter anderem das Netzwerk Tolerantes Sachsen, hatten daraufhin eine »bedenkliche Verselbstständigung des Diskurses« konstatiert, etwa infolge der Denunziation Lehrender durch Schüler*innen. Zugleich werde nichtbinären Personen die Repräsentation in der Sprache verwehrt.

Kultusminister Christian Piwarz (CDU) sieht jedoch keinen Änderungsbedarf. Man habe »überwiegend positive Rückmeldungen« von den Schulleitungen erhalten, heißt es in einem Brief des SMK vom Juni.

Demgegenüber wies die Antidiskriminierungsstelle des Bundes im Mai auf erhebliche verfassungsrechtliche Risiken infolge des »Genderverbots« hin. Laut einem Kurzgutachten besteht die Gefahr einer Verletzung der Handlungs- und Meinungsfreiheit von Schüler*innen und Lehrenden und einer Einschränkung der Lehrfreiheit sowie der Demokratie- und Menschenrechtsbildung. Auch der Landesschülerrat Sachsen hatte gefordert, das Verbot zu revidieren.

Mit dessen Rücknahme ist indes nicht zu rechnen. Die bereits mitregierende SPD hat sich nie dagegen gewehrt, und derzeit verhandelt die CDU von Ministerpräsident Michael Kretschmer sowohl mit den Sozialdemokraten als auch mit dem kulturkonservativen Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) über die Bildung einer Koalition. Auch das BSW lehnt geschlechtergerechte Sprache mit Sonderzeichen ab.

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