Künstliche Erregung über die FDP

Jana Frielinghaus findet die Empörung in SPD und Grünen über die Pläne der Liberalen zum Ampel-Aus verlogen

Inszenierte sich als Kanzler-Opfer, hat aber selbst sehr aktiv das Ampel-Aus vorangetrieben: Christian Lindner. SPD und Grüne nutzen nun Veröffentlichungen, die dies belegen, und schreien »Verrat!«
Inszenierte sich als Kanzler-Opfer, hat aber selbst sehr aktiv das Ampel-Aus vorangetrieben: Christian Lindner. SPD und Grüne nutzen nun Veröffentlichungen, die dies belegen, und schreien »Verrat!«

Die FDP tut wie immer FDP-Dinge, und plötzlich kriegen sich Hubertus Heil, Karl Lauterbach (beide SPD) und ein paar Grüne nicht wieder ein. Wieso? Die Liberalen haben das schließlich drei Jahre lang sehr erfolgreich gemacht, und die Ampel-Partner haben es geschluckt. Oder eigene Ziele als Konzession an die FDP und die Koalitionsdispiplin verkauft: Steuergeschenke an die Konzerne, Rückkehr zum Zwangsregime gegen Erwerbslose etc. Einer der vorläufigen Tiefpunkte in diesem Spiel war die vorauseilende Distanzierung von Grünen-Vizekanzler Habeck vom Lieferkettengesetz unter dem Motto Bürokratieabbau für »unsere« Wirtschaft. Zulasten unter miesesten Bedingungen in Südostasien schuftender Frauen zum Beispiel, zulasten der Umwelt und des Klimas sowieso.

Ganz offen hat Lindners Partei SPD und Grüne erpresst und vorgeführt bis dahin, dass ihre Abgeordneten im Bundestagsplenum mitteilten, sie seien etwa in der Asylpolitik viel näher bei CDU und CSU als bei ihren Koalitionspartnern. Wen wundert es also, dass sich FDP-Minister, Partei- und Fraktionsspitze intern über ihren Weg zum Koalitionsbruch, zu vorgezogenen Neuwahlen und aus der eigenen Umfragekrise verständigten? Letztere ist tief, und so ist es schon ein Wagnis, in wenigen Wochen zur Koalitionspartnerin der Union heranwachsen zu wollen.

Dass Ausstiegszenarien mindestens auch in der SPD durchgespielt wurden, liegt auf der Hand. Nur Bonmots wie »D-Day«, »Torpedo« oder »Feldschlacht« sind aus der Kanzlerpartei nicht bekannt, ihr Popkornfaktor ist also momentan deutlich kleiner. Umso verlogener ist die von SPD-Granden wie Heil und Lauterbach demonstrierte Empörung über die »Verräter« von der FDP. Es ist eben Wahlkampf – und den nutzen die Neo-Liberalen zur Profilierung und die Sozialdemokraten wieder mal dazu, sich als Arbeiterpartei zu inszenieren. Und anschließend werden letztere die »hart arbeitenden Menschen« und die Armen wieder verraten. Beim nächsten Mal wohl wieder in einer Großen Koalition.

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