(Wahl-)Kampf um Paragraf 218

SPD und Grüne wollen Abtreibungen noch vor Ende der Legislaturperiode legalisieren – die CDU gibt sich empört

236 Abgeordnete aus den Fraktionen von SPD, Grünen und Linken wollen den Paragrafen 218 zumindest teilweise streichen.
236 Abgeordnete aus den Fraktionen von SPD, Grünen und Linken wollen den Paragrafen 218 zumindest teilweise streichen.

Der Wahlkampf ist in vollem Gange. Die jüngste Auseinandersetzung, mit der sich die Parteien kurz vor den vorgezogenen Wahlen noch einmal profilieren wollen: der Abtreibungsparagraf 218.

Obwohl die feministische Bewegung seit Jahrzehnten die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen fordert und obwohl zwei der drei Ampel-Parteien die Abschaffung in ihre Wahlprogramme aufgenommen hatten – der Paragraf 218 Strafgesetzbuch, der Abtreibungen verbietet, ist immer noch nicht gekippt. Denn die FDP blockierte das Vorhaben.

Jetzt, da die Ampel-Koalition Geschichte ist, wollen Abgeordnete von SPD und Grünen noch vor Ende der Lagislaturperiode eine Entkriminalisierung durchbringen. Vergangene Woche stellten sie einen entsprechenden fraktionsübergreifenden Gesetzgebungsvorschlag zur Neuregelung des Paragrafen 218 vor. Das Papier sieht vor, dass der Abbruch bis zum Ende der zwölften Schwangerschaftswoche künftig rechtmäßig sein soll. Die dreitägige Wartefrist zwischen Beratung und Abbruch soll zudem gestrichen werden. Darüber hinaus sollen die Krankenkassen fortan die Kosten für Abtreibungen übernehmen.

Zwar bleibt ein Schwangerschaftsabbruch nach der bisherigen Regelung bis zur zwölften Schwangerschaftswoche straffrei, dies stelle aber »eine erhebliche Einschränkung der Selbstbestimmung, der persönlichen Integrität und der körperlichen Autonomie Schwangerer dar und kann ihrer körperlichen und seelischen Gesundheit Schaden zufügen«, heißt es in dem Gesetzentwurf der Parlamentarier.

236 Abgeordnete aus den Fraktionen von SPD, Grünen und Linken hätten den Antrag bisher unterschrieben, sagte Carmen Wegge (SPD) am Donnerstag im Bundestag. Unter den Unterzeichnenden sind Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Laut der Geschäftsordnung des Bundestags kann der Entwurf ab dem 6. Dezember im Parlament debattiert werden, sodass die zweite und dritte Lesung im Januar stattfinden könnten. Der Bundestag kann noch bis zu der für den 23. Februar geplanten Neuwahl Gesetze beschließen.

In der Union sorgt der Vorstoß für Empörung. »Als CDU/CSU-Bundestagsfraktion werden wir uns mit aller Kraft dagegen wehren«, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dorothee Bär am Donnerstag der Nachrichtenagentur AFP. Sie kritisierte, dass vor den Neuwahlen im Februar »auf den letzten Drücker und zu so einer ethisch-moralisch hochkomplexen Entscheidung über die Beendigung menschlichen Lebens Fakten geschaffen werden sollen«.

»Ein solch sensibles Thema nun im Schnellverfahren durch den Bundestag zu jagen, ist ein Skandal ohne Gleichen«, sagte Bär dazu. »Das zeigt, wie skrupellos Grüne und SPD jetzt noch kurz vor knapp, ohne Mehrheit und vermutlich am liebsten auch ohne Debatte ihre Interessen bedienen wollen.« Für die Union komme der Vorschlag »einem Dammbruch unseres Werteverständnisses« gleich.

Unionsfraktionschef Friedrich Merz griff vor allem Bundeskanzler Olaf Scholz scharf an, der den Gesetzentwurf als SPD-Abgeordneter mitgezeichnet hatte. »Ich bin wirklich entsetzt darüber, dass derselbe Bundeskanzler, der immer wieder vom Zusammenhalt, vom Unterhaken und von Gemeinsinn spricht, mit auf der Liste dieses Gruppenantrages mit seiner Unterschrift erscheint.«

»Der Vorschlag kommt einem Dammbruch unseres Werteverständnisses gleich.«

Dorothee Bär stellvertretende Fraktionsvorsitzende (CDU)

Mit dem Vorstoß solle versucht werden, »den Paragrafen 218 jetzt noch im Schnellverfahren zum Ende der Wahlperiode abzuschaffen«, sagte Merz. »Das ist skandalös, was der Bundeskanzler da macht.« Es handele sich um ein Thema, »das wie kein zweites das Land polarisiert, das wie kein zweites geeignet ist, einen völlig unnötigen weiteren gesellschaftspolitischen Großkonflikt in Deutschland auszulösen«.

Dann sagte Merz noch: »Wenn wir über dieses Thema reden, dann brauchen wir dafür Zeit, dann brauchen wir dafür auch Gutachten, was verfassungsrechtlich möglich ist.« Ein genau solches Gutachten hatte die Ampel-Koalition in Auftrag gegeben. Die Empfehlungen der beauftragten Kommission sind für die Frühphase einer Schwangerschaft eindeutig: Die grundsätzliche Strafbarkeit von Abtreibungen sei aus »völker-, verfassungs- und europarechtlicher Perspektive« nicht haltbar.

Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, warf Merz daraufhin vor, er nehme wichtige Anliegen von Frauen nicht ernst. »Seine Vorwürfe spalten unser Land, sind ideologisch aufgeladen und inakzeptabel.« Mast wies darauf hin, dass wichtige Regelungen bestehen blieben, etwa die Beratungspflicht. »Es ist wichtig, dass Schwangerschaftsabbrüche von ungewollt schwangeren Frauen entkriminalisiert werden. Darauf warten die Frauen und die breite Mitte der Gesellschaft«, erklärte Mast.

Der Grünen-Parteitag in Wiesbaden gab dem Antrag im Bundestag Rückenwind und votierte am Samstagabend einstimmig für einen Antrag, der fordert, Abtreibungen in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen generell zu erlauben.

Die Kritik von Merz wies die ehemalige Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang zurück. Die Bevölkerung sehe die Sache anders als der Unionsfraktionschef. Lang zeigte sich überzeugt: In Umfragen sprächen sich 80 Prozent der Menschen dafür aus, dass Abtreibungen nicht mehr strafbar sein sollten, »denn die Menschen in diesem Land vertrauen Frauen«, sagte Lang. Mit Agenturen

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