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Solidarnost: Gegen die rechte Dominanz in Belgrad

Die Plattform Solidarnost möchte den Wählern in Serbien eine echte politische Alternative zurückgeben

Svetomir Nikolić vertrat die serbische Plattform Solidarnost auf dem »Europäischen Forum linker, grüner und progressiver Kräfte« in Budapest.
Svetomir Nikolić vertrat die serbische Plattform Solidarnost auf dem »Europäischen Forum linker, grüner und progressiver Kräfte« in Budapest.

Für welche Positionen und Ziele steht Ihre Organisation?

Unsere Vision ist ein demokratischer Sozialismus in Serbien. Wir stehen für regionale Solidarität ein, kämpfen für soziale Gerechtigkeit und den Schutz der Umwelt. Wir sagen Ja zu LGBT-Rechten und zur Gleichberechtigung der Geschlechter. Solidarnost ist Partner der Partei der Europäischen Linken. Kern unserer Organisation sind Menschen, die sich seit Langem in der serbischen Linken engagieren und im alternativen Spektrum der Gesellschaft tief verwurzelt sind.

Wie wollen Sie Veränderungen in Ihrem Sinn durchsetzen?

Es geht darum, vom Aktivismus zu einer wählbaren Kraft zu gelangen. In der Linken fehlt es daran in unserem Land. Abgesehen von der grün-linken Front und ihrer kleinen Fraktion wird das Parlament von liberalen, konservativen und rechtsextremen Parteien dominiert. Es gibt eine große Lücke bei progressiven, sozialistischen Kräften. Noch sind wir klein, aber unser Ziel ist es, den Menschen wieder eine Alternative zu geben. Allerdings sind die Hürden für eine Wahlteilnahme auf nationaler Ebene sehr hoch.

Fasst Solidarnost also vor allem auf der lokalen Ebene Fuß?

Bei den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr sind wir in einem Bündnis mit Grünen und sogenannten Sozialisten angetreten. Als Kandidat dieser Koalition habe ich einen Sitz in der Gemeindevertretung von Rakovica in Belgrad gewonnen.

Interview

Svetomir Nikolić ist Linux-Experte und vertritt die Plattform Solidarnost im Stadtrat der Gemeinde Rakovica in Serbiens Hauptstadt Belgrad. Mit ihm sprach in Budapest Peter Steiniger.

Mit welchen Problemen sind Sie als Lokalpolitiker konfrontiert?

Das Hauptproblem in Rakowica ist etwas, das wir Investoren-Urbanismus nennen. Jedes verfügbare Grundstück in der Gemeinde wird von Investoren aufgekauft und ohne Rücksicht auf Umweltaspekte zugebaut. In Rakowica wurden etwa auf früheren Industrieflächen Wohnblocks errichtet, aber keine Parks, keine Schulen, keine Kindergärten – nur diese Häuser. Das Grün verschwindet hinter Beton. Wir sprechen in Serbien von Betonisierung.

Wer steckt hinter diesen Projekten?

In Serbien ist viel Geld angehäuft worden, das aus Korruption stammt, kriminellen Ursprungs ist. Diese neuen Reichen legen ihr Geld in Immobilien an. Diese sind so etwas wie eine Bank für sie, weil sowohl die Inflation als auch die Immobilienpreise hoch sind. Es entstehen abgeschottete Areale mit teuren Appartements, von denen viele leer stehen.

Wie sieht es auf dem Wohnungsmarkt aus?

Wir haben in Serbien Zehntausende Wohnungen, in denen niemand lebt, die nur als Wertanlage dienen, die Investoren sich untereinander verkaufen. Gleichzeitig ist die Situation für die Normalbürger katastrophal. 90 Prozent können keine Wohnung kaufen, fünf Prozent nur auf Kredit und lediglich die restlichen fünf Prozent haben das Geld dafür.

Das sagt viel über das allgemeine Lohnniveau aus.

Kennzeichnend für unseren Arbeitsmarkt ist, dass sehr viele Serben in EU-Ländern Geld verdienen. Ich nenne sie Teilzeit-Gastarbeiter. Sie arbeiten drei Monate im Ausland, drei Monate in Serbien. Deshalb fehlen Kraftfahrer, Klempner und andere Arbeitskräfte. Solche schlecht bezahlten Jobs machen in Belgrad dann Migranten, etwa aus Sri Lanka oder Nepal. Ein großes Problem ist der Lehrermangel in unserem Bildungsbereich. Mathematik, Physik oder Informatik werden an Schulen und Unis oft von Studenten unterrichtet. Und sobald diese ihr Diplom in der Tasche haben, gehen sie in die EU, nach Kanada oder Australien oder heuern bei IT-Firmen an.

Die Regierung macht politisch einen Spagat zwischen der EU und Russland. Wie ist der Ukraine-Konflikt in Serbien spürbar?

Die Beziehung zwischen Serbien und Russland ist historisch sehr wechselvoll. Die aktuelle Verbindung unserer Regierung mit Russland hat damit wenig zu tun. Sie dient vor allem der Klasse der Eigentümer. Diese hat sich in den 90ern in beiden Ländern ähnlich herausgebildet. Es sind vor allem Leute aus dem Sicherheitsapparat, die zu Geld und Macht gelangten. Es geht also nicht um die Verbindung beider Völker, sondern um eine zwischen den Besitzenden. Zugleich sind seit Beginn des Krieges in der Ukraine 200 000 Russen nach Belgrad gezogen. Große Unternehmen aus Moskau und Sankt Petersburg haben ihr gesamtes Geschäft hierher verlagert. Viele Russen in Belgrad sind in der IT-Branche tätig, in einem höheren Spektrum des Arbeitsmarktes. Sie bilden so etwas wie eine neue Klasse und prägen ganze Stadtviertel.

Seit 2012 ist Serbien EU-Beitrittskandidat. Wie steht Solidarnost zur Europäischen Union?

Wir denken, dass die EU für den europäischen Kontinent notwendig ist. Aber nicht die EU, die wir derzeit haben, und die für Markt und Profit, für die Konzerninteressen gemacht wurde. Wir brauchen eine EU, die sich stärker um ökologische und soziale Fragen kümmert und auch um andere Teile der Welt. Denn die Geschichte Europas ist eine des Kolonialismus und der Ausbeutung anderer Regionen.

Der Krieg in der Ukraine dauert bereits fast 1000 Tage und droht, weiter zu eskalieren. Wie sehen Sie diesen Konflikt?

Wie bei jedem Krieg handelt es sich auch hier um einen Konflikt zwischen Interessen, hier denen der alten Oligarchien des Westens und der neuen im Osten. Das Volk in der Ukraine ist dessen Opfer, der Krieg wird nicht für die Menschen dort geführt. Solche Narrative bringen keine Lösung, sondern wurden für einen Krieg geschaffen, der für den Waffenmarkt und um Ressourcen geführt wird. Kräfte wie unsere auf allen Seiten müssen das aufzeigen.

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