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  • Bezahlkarte für Geflüchtete in Berlin

Diskriminierung für ein halbes Jahr

Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) und Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) einigen sich auf einen Kompromiss zur Bezahlkarte

Bald auch in Berlin: Die Bezahlkarte mit einer Bargeld-Obergrenze von 50 Euro im Monat für Geflüchtete.
Bald auch in Berlin: Die Bezahlkarte mit einer Bargeld-Obergrenze von 50 Euro im Monat für Geflüchtete.

Die Bargeld-Obergrenze bei Bezahlkarten für Geflüchtete wird auch in Berlin eingeführt. Die Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) stemmte sich lange dagegen, nun teilte sie aber am Sonntag dem »Tagesspiegel« mit, dass sie sich mit dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) darauf geeinigt habe, die Bezahlkarte für neuankommende Asylbewerber*innen mit der umstrittenen Begrenzung der Bargeldauszahlung auf 50 Euro im Monat einzuführen. Die Bargeld-Obergrenze soll allerdings laut Senatorin nach einem halben Jahr automatisch entfallen. Ein entsprechender Beschluss des Senats soll noch in diesem Jahr gefasst werden, wie die Sozialverwaltung auf nd-Anfrage mitteilt. Wann die Bezahlkarte in Berlin eingeführt wird, ist noch offen. Der Flüchtlingsrat Berlin kündigt bereits an, gegen die Bargeldgrenze rechtlich vorzugehen, das Bündnis »Nein zur Bezahlkarte Berlin/Brandenburg« organisiert solidarische Netzwerke zur Umgehung dieser.

»Wir sind, vor allem angesichts der drastischen Kürzungen im Landeshaushalt, schockiert«, sagt Emily Barnickel vom Berliner Flüchtlingsrat zu »nd«. Während vor allem Kinder- und Jugendprojekte im kommenden Jahr aufgrund der Sparmaßnahmen des Senats eingestampft werden, kostet die Bezahlkarte laut Senatsantwort auf eine Anfrage der Abgeordneten Elif Eralp (Linke) das Land 250 000 Euro an Bereitstellungskosten, die Personalkosten sind noch unklar. »Berlin bleibt in seinen Ausgaben somit dekadent bei Repression und zahlungsunwillig bei dringend benötigten Posten«, sagt Barnickel.

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Der Flüchtlingsrat habe ebenso wie andere Geflüchteten-Organisationen, etwa der International Women Space oder Space 2 Grow, auf die »diskriminierende und entrechtende Komponente« der Bezahlkarte aufmerksam gemacht. »Sie ist Ausdruck der populistischen Debatte und Praxis gegen geflüchtete Menschen«, sagt Barnickel. Sie sieht außerdem die »alarmierende Gefahr«, dass der Zeitraum von sechs Monaten, auf den die Bargeld-Obergrenze beschränkt werden soll, bei politischen Machtverschiebungen doch verlängert werden könnte.

Nicht nur Geflüchteten-Organisationen sehen eine Diskriminierung darin, dass Geflüchtete nur einen begrenzten Betrag der an sie bezahlten Mittel in Bar erhalten. Auch die Ombudsstelle des Landes-Antidiskriminierungs-Gesetzes (LADG) beanstandet die Maßnahme. »Die Einführung einer sogenannten restriktiven Bezahlkarte würde eine unmittelbare Benachteiligung dieser Statusgruppe nach Paragraf 3 Absatz 1 LADG gegenüber anderen Sozialleistungsempfangenden darstellen«, so gibt der Senat die Einschätzung der Ombudsstelle wieder. Für diese Benachteiligung sei kein »hinreichender sachlicher Grund« erkennbar.

»Berlin bleibt in seinen Ausgaben somit dekadent bei Repression und zahlungsunwillig bei dringend benötigten Posten.«

Emily Barnickel Flüchtlingsrat Berlin

Elif Eralp, migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion, ist unzufrieden mit der Entscheidung des Senats zur Bezahlkarte. »Es ist sehr bedauerlich, dass die Sozialsenatorin eingeknickt ist«, sagt sie zu »nd«. Die Befristung der Bargeld-Obergrenze auf sechs Monate ändere nichts daran, dass die Maßnahme in diesem Zeitraum »weder rechtlich belastbar noch menschenwürdig« sei. Die Bargeldgrenze habe sich bereits in Nürnberg vor Gericht als unrechtmäßig erwiesen. In Hamburg war eine Klage dagegen im Eilverfahren zwar vor dem Sozialgericht erfolgreich, in der nächsthöheren Ebene jedoch nicht mehr und ein Hauptsacheverfahren stehe noch aus, sagt Eralp. »Eine starre Bargeld-Obergrenze kann rechtlich nicht Bestand haben, weil eine Bedarfsberechnung im Einzelfall so nicht gewährleistet werden kann.«

So sieht es auch der Berliner Flüchtlingsrat. »Die Bargeldobergrenze stellt eine Schlechterstellung von Asylsuchenden dar, die wir rechtlich angreifen werden«, teilt er mit. Der Flüchtlingsrat sei nach dem LAGD eine »verbandsklageberechtigte Organisation«, so Barnickel. Neben dem rechtlichen Weg formieren sich in Berlin und Brandenburg bereits Strukturen, um praktische Solidarität zu organisieren. Das Bündnis Nein zur Bezahlkarte Berlin/Brandenburg, das vom International Women Space und von Space 2 Grow getragen wird, richtete am vergangenen Wochenende eine Konferenz zum Widerstand gegen die Bezahlkarte aus. Es nahmen auch Geflüchtete aus anderen Bundesländern teil, die diese schon nutzen müssen.

Um solidarische Netzwerke zur Umgehung der Bargeldbeschränkung aufzubauen, werden weitere Treffen stattfinden. Am Sonntagabend, den 1. Dezember, findet außerdem ein vom Flüchtlingsrat organisierter Tresen in der Kreuzberger Kneipe »Pirata Patata« statt, um Spenden für »anstehende Kartentauschaktionen« von Nein zur Bezahlkarte Berlin/Brandenburg zu sammeln.

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