Linke: Was der Bundestag dringend braucht

Wolfgang Hübner über den Wahlkampf-Parteitag der Linkspartei

Linke-Spitzenkandidaten Heidi Reichinnek und Jan van Aken
Linke-Spitzenkandidaten Heidi Reichinnek und Jan van Aken

Außerordentlicher Parteitag – das hat bei Mitgliedern der Linken, die schon länger dabei sein, einen speziellen Klang. Es war ein Sonderparteitag, auf dem Ende 1989 diskutiert und entschieden wurde, wie es nach dem Zusammenbruch der SED-Herrschaft mit der Partei weitergeht – und ob überhaupt. Daraus entstand die PDS, eine Vorläuferin der Linkspartei.

Für diese Linke steht derzeit wieder die Existenzfrage – jedenfalls was die Existenz als bundesweit relevante Kraft betrifft. Der Außerordentliche Parteitag am Sonnabend, nötig geworden wegen der vorgezogenen Bundestagswahl, sollte die Weichen stellen für einen erfolgreichen Wahlkampf. Die Stimmung in der Linkspartei ist auffallend gut, was mit der neuen Parteispitze und den 13 000 neuen Mitgliedern im zurückliegenden Jahr zu tun hat. Ob die Lage der Partei dieser Stimmung entspricht – darüber gehen die Meinungen auseinander. Dass der dezente Aufschwung in manchen Umfragen bis zur Bundestagswahl trägt, ist keine Selbstverständlichkeit.

Sicher ist allerdings, dass ein Bundestag ohne eine linke Partei, die nicht mit der politischen Mitte kokettiert und auch nicht nach rechts taktiert, eine Zumutung wäre. Denn die immer schärferen Angriffe auf den Sozialstaat, die von anderen Parteien breit befürworteten Milliarden und Abermilliarden für Rüstung und Militär, der erstarkende Rechtsextremismus und der teils unentschlossene Umgang mit der AfD brauchen entschiedenen Widerspruch und Widerstand, auch im Parlament. Zumal all das mit Friedrich Merz in verschärfter Form ins Kanzleramt einzuziehen droht.

Dem will sich Die Linke entgegenstellen, wofür die Präsenz im Bundestag eine wichtige Plattform wäre. Wenn sie es tatsächlich schafft, wäre das angesichts der jahrelangen Krise der Partei ein beachtlicher Erfolg – für sie selbst und für die Demokratie. Die Chance dafür ist da, auch weil Die Linke sich wieder auf sich selbst besinnt und offenbar die Phase zu Ende geht, in der sie sich unter einer Art Phantomschmerz vehement an der Wagenknecht-Abspaltung abgearbeitet hat. Und doch wäre es nur ein Anfang. Denn man erinnert sich: Die Linke hat schon mal fast zwölf Prozent geschafft. Auch wenn die Zeiten und die Parteienlandschaft sich verändert haben – darunter sollte der längerfristige Anspruch nicht liegen, wenn wieder eine starke und einflussreiche linke, soziale Opposition entstehen soll. Diese Bundesrepublik hätte sie dringend nötig.

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