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Neuer Bericht zu Angriffen auf Pride-Paraden
Das »Autor*innenkollektiv Feministische Intervention« analysiert die Mobilisierungen gegen CSD-Veranstaltungen 2024
Die Pride-Saison 2025 ist mit einem Skandal gestartet: In Schönebeck beendeten die Behörden die Versammlung vorzeitig; außerdem ermittelt die Polizei wegen angeblich gezeigter Hitlergrüße von Störern. Alles deutet darauf hin, dass auch in den kommenden Monaten mit zahlreichen Anfeindungen zu rechnen ist. Erst 2024 wurde ein neuer Höchststand an Störaktionen gegen Pride-Paraden vermeldet. Nur: Genau kann das Ausmaß an LGTBQ+-Feindlichkeit niemand beziffern, dafür fehlt es an systematischer Erfassung. Trotzdem hat das Autor*innenkollektiv Feministische Intervention (AK Fe.In) nun versucht, ein flächendeckendes Bild über Mobilisierungen gegen CSD-Veranstaltungen in Deutschland zu erstellen.
Demnach wurden fast 40 Prozent aller CSDs von Neonazis und anderen Rechten auf unterschiedliche Art und Weise queerfeindlich angegriffen. In 32 Orten (15 Prozent) gab es anlässlich des CSD eine rechte Versammlung, im Kontext von mindestens 68 CSDs (32 Prozent) wurden Störungen, Sachbeschädigungen oder Angriffe auf Teilnehmende vermeldet. Bei etwa acht Prozent fand sowohl eine rechte Demonstration als auch weitere Störungen statt. Insgesamt haben in der Pride-Saison von Ende April bis Mitte Oktober 2024 209 CSDs stattgefunden.
Bereits im November 2024 hatte das Center für Monitoring, Analyse und Strategie (Cemas) in einer Studie die queerfeindlichen Vorfälle gezählt, die Forschenden konzentrierten sich aber auf die angemeldeten Demonstrationen der extremen Rechten und auf die damit verbundenen Mobilisierungen in sozialen Medien. Im Unterschied dazu bezog das AK Fe.In eine Reihe weiterer Datenpunkte mit ein: aus Presseberichten, Chroniken von Beratungsstellen, Social-Media-Accounts der CSDs und rechter Strukturen, antifaschistischen Publikationen und parlamentarischen Anfragen.
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Dementsprechend kommt das AK Fe.In auch auf etwas höhere Zahlen als das Cemas. Letzteres berichtete von rechtsextremen Anti-CSD-Protesten in 27 deutschen Städten.
In der Analyse der queerfeindlichen Aktionen sind sich die beiden Teams aber einig: Vor allem die rechtsextreme Demonstration mit geschätzt 700 Teilnehmenden in Bautzen spornte Gruppierungen zu weiteren Aktionen an. Queerfeindlichkeit soll zudem bei jüngeren Neonazis eine besondere Rolle in der Politisierung spielen: Viele Gruppen traten erstmals im Zusammenhang mit Aktivitäten gegen CSDs öffentlich in Erscheinung. Die Autor*innen der Cemas-Studie sprechen sogar von einer »neuen Generation von Neonazis«.
Das wahre Ausmaß an Angriffen auf queeres Leben im Zusammenhang mit der vergangenen Pride-Saison erfasst indes auch der gründlich recherchierte Bericht des AK Fe.In nicht, wie die Autor*innen selbst zu bedenken geben. Sie vermuten bei den Störungen ein hohes Dunkelfeld, weil sich CSD-Teilnehmende nicht immer an Opferberatungsstellen oder die CSD-Organisator*innen wenden. Auch die digitale Gewalt fehlt in der Auswertung vollständig.
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