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Parteitag der Linken: »Dann sind wir radikal«
Auf dem Chemnitzer Parteitag verschärft Die Linke den Ton in der politischen Auseinandersetzung und will »nicht mehr in Tarnbegriffen reden«
Die Linke ist wieder da – das feiert sie auf ihrem Parteitag in Chemnitz an diesem Wochenende noch einmal. »Wir haben geschafft, woran fast niemand mehr geglaubt hat«, sagte die Ko-Vorsitzende der Bundesfraktion, Heidi Reichinnek. Zahlreiche Rednerinnen und Redner bezogen sich auf den Wahlerfolg, der die Partei wieder zu einem wichtigen politischen Faktor gemacht hat. Die Hauptfrage lautet nun: Was macht die Partei aus diesem Erfolg und aus den vielen neuen Mitgliedern?
Fürs Erste verschärft sie ihren Ton. »Wie wollen ein Wirtschaftssystem abschaffen, in dem Reiche immer reicher werden«, während vielen Menschen das Nötigste fehlt, sagte Reichinnek. Das habe mit Demokratie nichts zu tun. »Wenn es radikal ist zu fordern, dass alle Menschen bekommen, was sie zum Leben brauchen, dann sind wir radikal«, so die Fraktionschefin, die mit Bezug auf die neue Bundesregierung aus Union und SPD von einem »unsäglichen Koalitionsvertrag der Ignoranz und der sozialen Kälte« sprach.
Die Ko-Parteivorsitzende Ines Schwerdtner sieht ihre Partei erst am Anfang des Weges »zu einer organisierenden Klassenpartei«. Schwerdtner erinnerte an die Kanzlerwahl im Bundestag und die Tatsache, dass die Linksfraktion nach dem für Merz gescheiterten ersten Wahlgang für einen schnellen zweiten Anlauf stimmte. Die Union sei zuvor wegen der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit erstmals auf Die Linke zugegangen, »aber wir werden von denen nichts geschenkt bekommen«, sagte Schwerdtner. »Wir werden jede Verbesserung hart erkämpfen müssen.« Den Kapitalismus zu überwinden heiße »eine Wirtschaftsordnung zu überwinden, die die Menschen knechtet«.
»Unser Weg zu einer organisierenden Klassenpartei hat gerade erst begonnen.«
Ines Schwerdtner Linke-Vorsitzende
In dem mit großer Mehrheit beschlossenen Leitantrag mit dem Titel »Wir sind die Hoffnung« – der an die vor Jahren schon verwendete Formulierung vom »Pol der Hoffnung« anknüpft – wird eine Politik der wechselnden Regierungen kritisiert, die die soziale Spaltung vorantreibt und so »der politischen Rechten Tür und Tor öffnet«. »Alle Parteien gehen nach rechts – wir nicht«, wird ein schon im Wahlkampf benutzter Slogan aufgegriffen, unter anderem in Bezug auf »Forderungen nach einer schärferen und repressiveren Asylpolitik« von der CDU bis zu den Grünen. Die Linke, die nach neuestem Stand 112 000 Mitglieder hat (Mitte 2024 war es etwa die Hälfte), soll sich zu einer »kraftvollen sozialistischen Mitgliederpartei für das 21. Jahrhundert« entwickeln. Das im Entwurf enthaltene Ziel, innerhalb von vier Jahren 150 000 Mitglieder zu erreichen, wurde gestrichen; stattdessen heißt es jetzt allgemeiner, die Partei solle für die politische praktische Arbeit fit gemacht werden. An anderer Stelle ist von der Linken als »moderne sozialistische Partei für die arbeitende Klasse« die Rede. Gestärkt werden soll die Fähigkeit, politische Kampagnen zu führen, unter anderem zur Mietenpolitik.
Schon vor dem Parteitag hatten sich Schwerdtner und Reichinnek mit kämpferischen Äußerungen zu Wort gemeldet. Schwerdtner hatte in einem Interview gesagt, man wolle »nicht mehr in Tarnbegriffen reden, sondern von Klasse und demokratischem Sozialismus«. Der großen Masse der Neumitglieder, die vor allem seit Herbst 2024 hinzugekommen sind, wolle man unter anderem »das ABC der Marxismus« vermitteln. Reichinnek hatte erklärt, wer verhindern wolle, dass der Reichtum weniger explodiert, der Sozialstaat immer weiter ausgehöhlt und die Demokratie ernsthaft bedroht wird, dürfe den Kapitalismus nicht stützen, »er muss ihn stürzen«.
Bis 2027 will Die Linke »einen Programmprozess abschließen«. Das 2011 in Erfurt beschlossene Parteiprogramm soll »an einigen Stellen im Heute verankert« werden. Man wolle Antworten auf neue Fragen und Konflikte finden, »jenseits von Entsolidarisierung, Abschottung und Autoritarismus«. Die Linke bleibe eine Friedenspartei, die »bedingungslos für das Völkerrecht und den Schutz derjenigen« eintrete, »die unter den Kriegen dieser Welt leiden«. Dass es bei diesem Thema Differenzen in der Partei etwa in Fragen von Rüstungslieferungen an die Ukraine, der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und der Haltung zu EU-Streitkräften gibt, klingt im Leitantrag nur in der Formulierung an, dass man Positionen in den Mittelpunkt stellen wolle, »die uns vereinen«.
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