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Steinmeier bei Netanjahu: Komplizenschaft
Jana Frielinghaus über deutsche Politikerbesuche beim israelischen Premierminister
Noch immer betonen deutsche Politiker das Selbstverteidigungsrecht Israels. Das tat Bundespräsident Steinmeier beim Treffen mit seinem Amtskollegen Herzog. Das tat vor ihm der neue Bundesaußenminister Wadephul beim Treffen mit Israels Premier Netanjahu. Er erklärte gar, man könne Israel »völkerrechtswidriges Verhalten nicht vorwerfen«, sei »vereint im Engagement für gemeinsame Werte«. Beide üben nur verhaltene Kritik an Kriegsverbrechen und verharmlosen sie so.
Angesichts deren Schwere kommt dies einer Komplizenschaft gleich. Denn Belege dafür, dass es ihm nicht nur um die Zerschlagung der terroristischen und antisemitischen Hamas geht, hat Netanjahu immer wieder selbst geliefert, zuletzt demonstrativ nur wenige Stunden vor seinem Treffen mit Steinmeier: Die »Umsiedlung« aller Bewohner Gazas werde vorangetrieben, der Krieg nicht beendet. Eine Woche zuvor hatte Israels Finanzminister Smotrich angekündigt, dass Gaza »vollständig zerstört« werde. Seit zwei Monaten werden die Menschen in dem Küstenstreifen durch die israelische Blockade von Hilfslieferungen ausgehungert, schon vorher war ein Fünftel der Kinder dort unterernährt.
Die deutsche Regierung weiß das alles, und ihre Referenten dürften auch die Dokumentationen des israelischen Architekten Eyal Weizman kennen. Sie zeigen, dass Israel die dauerhafte Besetzung und Wiederbesiedlung sowie die Vertreibung der Palästinenser seit Langem vorantreibt. Steinmeier hätte sich in dieser Situation mindestens mit Akteuren der kritischen israelischen Zivilgesellschaft treffen können, die Repressalien ausgesetzt sind. Er könnte Verbrechen Verbrechen nennen, statt nur vom Leid der Menschen in Gaza zu sprechen. Nichts von dem tut er. Und lädt deshalb Schuld auf sich und den deutschen Staat.
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