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Merz hat etwas Kreide gefressen

Jana Frielinghaus zur Regierungserklärung des neuen Bundeskanzlers

Bundestag am 14. Mai: Für AfD-Chefin Weidel ist Friedrich Merz immer noch ein »Kanzler der Linken«.
Bundestag am 14. Mai: Für AfD-Chefin Weidel ist Friedrich Merz immer noch ein »Kanzler der Linken«.

Wenn man nur die Rede des neuen deutschen Regierungschefs am Mittwoch gehört hat, dann könnte man Alice Weidel fast zustimmen. »Sie sind der Kanzler der Linken«, empörte sich die AfD-Fraktionschefin. Und tatsächlich: Friedrich Merz gab sich staatsmännisch, mäßigte seinen Ton in Sachen Außenpolitik, sprach von den Erwartungen »Europas«, die man zu erfüllen gedenke, insbesondere in Sachen Verteidigungsfähigkeit – und redete vom Sozialstaat, dem »Garanten für sozialen Frieden«. Davon, dass »ordentliche Löhne für gute Arbeit« das »zentrale Versprechen« blieben.

Wer wissen will, was auf die Mehrheit im Land zukommt, musste dem Vortrag des Friedrich Merz auf dem CDU-Wirtschaftstag am Abend zuvor lauschen. Dort kündigte er an, er wolle die Menschen auf eine »gewaltige Kraftanstrengung« einschwören, um das Land wieder wettbewerbsfähiger zu machen. Und, so forderte er: »Wir müssen wieder mehr und vor allem effizienter arbeiten.« Das »Wir«, das Leute wie Merz im Munde führen, schließt selbstverständlich nicht jene ein, die von ererbtem Vermögen und Profiten leben, die etwa ihre Immobilien abwerfen. Die Zeche für deren Wohlstand zahlen jene, die schon lange immer mehr arbeiten müssen, um nicht aus ihrer immer teurer werdenden Wohnung zu fliegen, weil ihre Löhne real seit sechs Jahren nicht gestiegen sind.

Die Menschen, denen Merz erzählt, sie legten zu viel Wert auf »Work-Life-Balance«, schieben mehr als 550 Millionen unbezahlte Überstunden vor sich her. Zeit für Luxus wie Hausaufgabenhilfe fürs Kind, Unterstützung der Alten, gar für Ehrenamt und politisches Engagement haben sie nicht. Und sollen sie auch künftig nicht haben, denn »wir« müssen ja aufrüsten und »wettbewerbsfähig« werden.

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