Militarisierung der Ostsee lässt Firmen zittern

Offshore-Anlagen und Seekabel sollen zur Überwachung umgerüstet werden

Eine Forschungsplattform mit Sensoren, Kameras und Mikrofonen vor der norwegischen Küste. Das Militär will derartige Technik zur Überwachung nutzen.
Eine Forschungsplattform mit Sensoren, Kameras und Mikrofonen vor der norwegischen Küste. Das Militär will derartige Technik zur Überwachung nutzen.

Die Bundeswehr hat die Befugnis erhalten, auf Energiegewinnungsanlagen in der Nord- und Ostsee feste Einrichtungen wie Sende- und Empfangsanlagen zu installieren und zu betreiben. So steht es im Flächenentwicklungsplan für das Jahr 2025, den das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie erstellt hat und über den WDR und NDR berichten. Hintergrund ist laut den Sendern die Beobachtung russischer Schiffe, die mutmaßlich für Sabotageaktionen an Unterwasserinfrastruktur eingesetzt werden.

Der Plan verpflichtet Betreiber von Offshore-Anlagen außerdem zur Installation eigener Radarsysteme und zur Übermittlung gewonnener Daten an die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung. Diese Behörde schließt eine Weitergabe der Daten an die Bundeswehr auf Nachfrage nicht aus, wie WDR und NDR berichten. Bei den Betreibern löst das Sorgen aus – denn unklar ist, wer für die zusätzlichen technischen und organisatorischen Aufwände aufkommen soll.

Eine stärkere zivil-militärische Zusammenarbeit mit den Windparkbetreibern hatte zuvor auch das Umweltbundesamt in einem Bericht zu »angewandten Forschungsfragen zum Ausbau von Windenergie auf See« gefordert. Das Amt wies auch darauf hin, dass Offshore-Windenergieanlagen mit militärischer Sensorik im Kriegsfall zu legitimen militärischen Zielen werden könnten. Das fürchtet auch Stefan Thimm vom Bundesverband Windenergie Offshore e.V. Den Schutz der Anlagen sieht er deshalb als Aufgabe des Staates, zur Kooperation seien die Firmen aber grundsätzlich bereit, sagte Thimm zu NDR und WDR.

Parallel zu der neu verordneten zivil-militärischen Zusammenarbeit erproben Bundeswehr und Bundesnachrichtendienst laut den beiden Sendern seit einigen Jahren eine weitere kaum bekannte Überwachungsmethode: die Nutzung von Glasfaserkabeln am Grund der Ostsee als Sensoren für militärische Aufklärung. Die von den Kabeln ausgesendeten elektronischen Impulse können – ähnlich wie Radare – helfen, Motor- oder Antriebsgeräusche bestimmten Schiffen zuzuordnen. Diese Methode wird als »Distributed Acoustic Sensing« bezeichnet.

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Die Bedeutung derart »intelligenter« Frühwarnsysteme hatte Ende März auch die EU-Kommission in einem »EU-Aktionsplan für Kabelsicherheit« hervorgehoben. Dieser sieht den Aufbau eines nationalen Netzwerks von verschiedensten Sensoren vor, um Vibrationen und ungewöhnliche Aktivitäten nahe Kabeln zu erkennen. Dazu gehören auch Bojen zur Überwachung akustischer Signaturen von Schiffen.

Die daraus generierten Daten sollen in maritimen Lagebildern zusammengeführt werden. Als Vorbild gilt laut dem Umweltbundesamt Belgien, das eine solche Software für verschiedene Sensordaten auch von Offshore-Plattformen bereits einsetzt. Andere Staaten können über eine Programmierschnittstelle angebunden werden.

Eine entsprechende Leitstelle hat auch die Nato im Rahmen der Task Force »Baltic Sentry« eingerichtet, die als Reaktion auf die Russland zugeschriebenen Sabotageaktionen in der Ostsee verstärkt Patrouillen und Überwachungsflüge durchführt. Im Fokus steht dabei die sogenannte Schattenflotte Russlands – ältere Tanker, mit denen die Regierung in Moskau trotz Sanktionen weiterhin Öl exportieren lässt.

Die EU-Kommission geht in ihrem Aktionsplan noch einen Schritt weiter: Seekabel könnten auch als geheime Häfen für Unterwasserdrohnen genutzt werden. Dazu gehören das Aufladen, aber auch »das Aussetzen und Andocken autonomer Unterwasserfahrzeuge«, heißt es im Aktionsplan. Forschungen dazu werden bereits gefördert. Damit die Betreiber und Hersteller der Anlagen bei der neuen zivil-militärischen Offensive in Nord- und Ostsee mitmachen, will die EU-Kommission ein »Industrieforum« etablieren.

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