»Letzte Verteidigungswelle«: Jung, rechts, terrorverdächtig

Festnahmen von 14- bis 18-Jährigen nach Anschlägen

Sehr junge Neonazis dominieren immer öfter rechte Demonstrationen. Sie treten dabei aggresiv auf.
Sehr junge Neonazis dominieren immer öfter rechte Demonstrationen. Sie treten dabei aggresiv auf.

Die Bundesanwaltschaft hat am Mittwochmorgen fünf junge Neonazis festnehmen lassen. Sie wirft den 14 bis 18 Jahre alten Verdächtigen vor, eine terroristische Vereinigung mit dem Namen Letzte Verteidigungswelle (LVW) gegründet zu haben. Die Ermittlungen gegen drei weitere Mitglieder der Gruppe, die schon in Untersuchungshaft sitzen, hat die Bundesanwaltschaft ebenfalls übernommen.

Die Vorwürfe gegen die LVW sind gewichtig. Der schwerste Vorwurf: Im vergangenen Oktober sollen Mitglieder der Gruppe die Veranstaltungslocation »Kultberg« im brandenburgischen Altdöbern mit einem Brandanschlag völlig zerstört haben. Die Betreiberfamilie, die sich im Gebäude befand, wurde nur durch Zufall nicht verletzt. Es entstand ein Sachschaden von 500 000 Euro. Die Bundesanwaltschaft schreibt in ihrer Pressemitteilung über zwei der Festgenommenen: »Ben-Maxim H. entwarf vorab eine Rede, mit der Lenny M. die Tat in einem Video ankündigte, um andere Mitglieder der LVW zu ähnlichen Aktivitäten zu ermuntern.«

Die Tat im Oktober reichte der Gruppe nicht aus. Am 5. Januar sollen Mitglieder an einer bewohnten Asylunterkunft in Schmölln ein Fenster eingeschlagen und anschließend mit einer Feuerwerksbatterie in das Gebäude geschossen haben. Ihr Ziel sei es gewesen, die Unterkunft in Brand zu setzen, so die Bundesanwaltschaft. Während der Tat sprühten sie rassistische und NS-verherrlichende Parolen an das Gebäude. Auch das Kürzel »LVW« hinterließen sie.

»Besonders erschütternd ist: Alle heute Festgenommenen sollen bei Gründung der Terrorgruppe noch minderjährig gewesen sein.«

Stefanie Hubig Bundesjustizministerin

Zur Ausführung eines weiteren Anschlags auf eine Asylunterkunft im brandeburgischen Senftenberg kam es nicht. Devin K. aus Meißen, mit 21 ein Oldie in der Gruppe, ließ sich beim Kauf von Kugelbomben in Tschechien von einer Investigativreporterin von »RTL« und »Stern« begleiten. Devin K., der sich selbst als »Gauleiter Sachsen« bezeichnete, wurde schon im Februar festgenommen. Die Journalist*innen sollen auch Hinweise zur Aufklärung der Tat in Altdöbern beigetragen haben.

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Dank der medialen Begleitung ist einiges über die LVW bekannt. In vielem unterscheidet sie sich nicht von anderen Gruppen, die mit martialischen Namen wie »Deutsche Jugend Voran«, »Der Störtrupp« oder »Jung & Stark« auf sich aufmerksam machen. Die Gruppen und ihre Mitglieder sind auf Tiktok und Instagram aktiv und vernetzen sich in Chats auf Telegram und Whatsapp. So beschreibt der »Stern« in einer Recherche zu den Chatgruppen der LVW, wie ein Mitglied ein Foto seines Schuloutfits postet. Springerstiefel, Tarnfleckhose, Bomberjacke, ein weißes T-Shirt mit einem Keltenkreuz. Das Outfit, das an Nazi-Skinheads aus den 90ern erinnert, erhält Herzen und Likes. Sonst ist die Gruppe geprägt von Gewaltfantasien, rassistischen Bildchen und Nazi-Grüßen. Auf Instagram präsentierte sich die LVW mit einem SS-Totenkopf im Profilbild. Man beschrieb sich selbst als: »jung, frech, radikal«.

Damit dürfte es erst mal vorbei sein. Die Beschuldigten wurden ab Mittwochnachmittag nach Karlsruhe gebracht, wo sie den Ermittlungsrichtern vorgeführt und ihre Haftbefehle eröffnet wurden. »Besonders erschütternd ist: Alle heute Festgenommenen sollen bei Gründung der Terrorgruppe noch minderjährig gewesen sein«, sagte Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) in einer ersten Reaktion der dpa. Ob die jetzt Festgenommenen überrascht waren, ist unklar. Der »Tagesspiegel« berichtete schon Ende März, im Zusammenhang mit dem Brandanschlag in Altdöbern, dass sich Ermittler*innen aus mehreren Bundesländern mit der LVW befassten und die Bundesanwaltschaft die Übernahme der Ermittlungen prüfe.

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