Nikolai Massalow nicht wieder Ehrenbürger

Senatskanzlei: Keine erneute Prüfung für berühmten Retter eines Mädchens vorgesehen

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.
Für dieses Denkmal im Treptower Park war Nikolai Massalows Heldentat das Vorbild.
Für dieses Denkmal im Treptower Park war Nikolai Massalows Heldentat das Vorbild.

»Ich gebe zu, dass mich die Antwort des Senats nicht überrascht. Schade ist es trotzdem«, sagt Alexander King. Der einzige im Berliner Abgeordnetenhaus von der Linken zum BSW gewechselte Politiker hatte am 2. Mai schriftlich angefragt, ob der sowjetische Soldat Nikolai Massalow die 1965 vom Ostberliner Magistrat zuerkannte Ehrenbürgerwürde nicht zurückerhalten könne. 1992 wurden die während der Teilung der Stadt in Ost und West getrennt geführten Ehrenbürgerlisten zusammengeführt. Dabei gehörten Massalow und andere sowjetische Befreier Berlins vom Faschismus zu denen, die nicht mehr berücksichtigt wurden.

Der 2001 in Sibirien gestorbene Mann hatte im April 1945 ein kleines, zwischen die Fronten geratenes deutsches Mädchen unter Einsatz seines Lebens aus dem Kugelhagel gerettet. Hinter den eigenen Linien übergab er es an eine Sanitäterin. Die Identität des ungefähr dreijährigen Kindes konnte später nicht mehr festgestellt werden. Doch die mutige Heldentat ist verbürgt. Marschall Wassili Tschuikow erwähnte sie in seinen Memoiren.

Massalow inspirierte den Bildhauer Jewgeni Wutschetitsch zu der berühmten Skulptur am Ende des Sowjetischen Ehrenmals im Treptower Park. Der gewaltige Blickfang zeigt einen Soldaten mit gesenktem Schwert und einem Kind auf dem Arm. Die Statue bildet allerdings nicht Nikolai Massalow ab, dem Bildhauer stand ein anderer Rotarmist Modell.

Dem Senat sind die historischen Hintergründe bekannt, wie aus den Antworten hervorgeht, die Senatskanzleichef Florian Graf dem BSW-Abgeordneten King jetzt gegeben hat – und die dem »nd« vorliegen. Doch nach der Wiedervereinigung habe der Senat 1992 mit Zustimmung des Abgeordnetenhauses beschlossen, »Persönlichkeiten mit hervorragenden kulturellen und wissenschaftlichen Verdiensten« von der Ehrenbürgerliste Ost zu übernehmen, so Graf. Dazu gehörten die Schriftstellerin Anna Seghers und der Kosmonaut Sigmund Jähn. »Bei den übrigen Ehrenbürgern der Hauptstadt der DDR konnten solche hervorragenden Verdienste nicht festgestellt werden«, teilt Graf in Vertretung des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner (CDU) mit.

Durchs Raster fiel 1992 auch Generaloberst Nikolai Bersarin, der sich als erster sowjetischer Stadtkommandant bemühte, das Leben im schwer verwüsteten Berlin wieder in Gang zu bringen. Die Fehlentscheidung in seinem Fall wurde 2003 revidiert, wofür sich insbesondere die PDS-Abgeordnete Gesine Lötzsch eingesetzt hatte.

BSW-Politiker King fragte nun: »Wäre der Berliner Senat bereit, eine Wiederanerkennung der Ehrenbürgerschaft für Nikolai Massalow ernsthaft zu prüfen?« Die lapidare Antwort lautet: »Eine erneute Prüfung ist nicht vorgesehen.«

Alexander King bedauert das. Massalows Handeln stehe für »Menschlichkeit in unmenschlicher Zeit«. Ihn auf die geltende Ehrenbürgerliste zu setzen, wäre angesichts internationaler Spannungen »eine Geste der Verständigung und des Friedenswillens gewesen«. Dies zu verweigern, passe aber dazu, dass der Senat zum 80. Jahrestag der Befreiung auf ausländische Gäste verzichtet habe, um keine Russen einladen zu müssen. »Die Nachfahren der Täter feierten ihre Befreiung ganz ohne Befreier.«

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