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Lichtenberg 47: Aufstiegschance und 500 000 Euro vor dem Verfall
Für das Dach im Berliner Hans-Zoschke-Stadion wird der Bezirk die bereitegestellte halbe Million Euro wohl nicht abrufen
Noch hat der Fußballviertligist Lichtenberg 47 die theoretische, hauchdünne Chance, die laufende Saison auf Platz 1 der Oberliga Nord abzuschließen. Damit würde der Verein in die Regionalliga Nordost aufsteigen können. Allerdings müsste der derzeit Drittplatzierte dafür seine letzten beiden Spiele gewinnen. Wenn dann auch die Partien der Konkurrenten BSV Eintracht Mahlsdorf und BFC Preussen mit dem richtigen Ergebnis zu Ende gehen und das Torverhältnis hinhaut, könnte der Aufstieg gelingen.
Angesichts dieser Möglichkeit gewinnt ein erstaunlicher Verwaltungsvorgang im Bezirk an immer größerer Bedeutung. Um das Hans-Zoschke-Stadion langfristig regionalligatauglich zu machen, stehen dem Eigentümer der Spielstätte, dem Bezirk Lichtenberg, 500 000 Euro für die Teilüberdachung der Tribüne zur Verfügung. Allerdings müssen die Gelder, die 2021 aus dem Vermögen der Parteien- und Massenorganisationen der DDR bereitgestellt wurden, bis Ende des Jahres ausgegeben sein.
Geht es nach dem Bezirk, so könnten die bereitgestellten Gelder Ende des Jahres tatsächlich verfallen. Das legt die noch unveröffentlichte Antwort der Senatsverwaltung für Sport auf eine Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sebastian Schlüsselburg (SPD) nahe. Demzufolge erwartet das bezirkliche Facility Management die Abgabe der finalen Machbarkeitsstudie zum Ende des zweiten Quartals 2026. Weiterhin geht der Bezirk von einer Fertigstellung der Bauarbeiten zum Ende des zweiten Quartals 2030 aus. Ein Grund für die unüblich lange Dauer des Vorgangs ist der Anfrage nicht zu entnehmen.
»Angesichts der Haushaltslage kann es sich kein Bezirk leisten, bereitgestellte zweckgebundene Gelder durch Verzögerungen verfallen zu lassen.«
Sebastian Schlüsselburg (SPD)
»Der Bezirk Lichtenberg agiert hier absolut fahrlässig«, kritisiert Sebastian Schlüsselburg. »Angesichts der Haushaltslage kann es sich kein Bezirk leisten, bereitgestellte zweckgebundene Gelder durch unnötige Verzögerungen verfallen zu lassen«, sagt der Abgeordnete, der seinen Wahlkreis in Lichtenberg hat. Andere Bezirke würden sich nach der halben Million die Finger lecken. Schlüsselburg zufolge brauche es keine Machbarkeitsstudie. Alle notwendigen Dokumente lägen bereits vor.
Bezirksstadträtin Camilla Schuler (Linke) teilt auf Nachfrage mit, dass für eine Machbarkeitsstudie bisher das Geld fehlte. Die Studie beziehe sich nicht allein auf das Tribünendach. Das sei nur ein Baustein für die Herstellung der Ligatauglichkeit. Die Studie »über alle erforderlichen Maßnahmen« soll sicherstellen, dass diese nicht miteinander kollidieren und dadurch Folgekosten entstehen. Zudem müsste erst noch die Genehmigung des Bauantrags für die Flutlichtanlage abgewartet werden, damit deren Betrieb nicht gefährdet würde. Erst mit der Studie könne »die in Summe wirtschaftlichste Lösung« ermittelt werden.
In der zu Ende gehenden Saison spielte auch der Regionalligist VSG Altglienicke im Hans-Zoschke-Stadion. Demnach ist das Stadion aktuell tatsächlich regionalligatauglich. Doch dafür müssen für monatlich mehrere hundert Euro Toiletten und das momentan dastehende Dach angemietet werden, sagt Michael Grunst, ehemaliger Bezirksbürgermeister und Präsident von Lichtenberg 47. »Wir wissen aber nicht, wie lange wir das finanziell noch stemmen können.« Wenn man in der Regionalliga mitspielen will, müssen 100 Sitzpläne der Heimspielstätte überdacht sein. Nach nd-Informationen ist noch nicht sicher, dass der Verein auch in der kommenden Saison im Zoschke spielt.
Offenbar habe Bezirksstadträtin Schuler »trotz klarem Auftrag nichts gemacht«, sagt Grunst mit Blick auf den nun über Schlüsselburgs Anfrage bekanntgewordenen Stand der Dachrealisierung. Grunst zufolge ist die Fertigung und Installation in diesem Jahr noch immer möglich: »Von den Abläufen her sollte das machbar sein. Eine Fachfirma stellt Ihnen so einen Leichtbau innerhalb von wenigen Wochen hin.«
Von 2019 bis 2023 spielte Lichtenberg 47 bereits in der Regionalliga Nordost. Damals sind laut dem Präsidenten des Vereins bereits ein Zaun um das Gelände und eine Fluchtlichtanlage neu gebaut worden. »Wir wollen, dass die mit dem letzten Regionalligaaufstieg begonnene Ertüchtigung des Stadions mit der Überdachung zu Ende gebracht wird.« Grunst verweist auf das berlinweite Defizit an dritt- und regionalligatauglichen Stadien. Zudem sagt der ehemalige Bürgermeister: »Es geht auch darum, dass man sich auf eine Verabredung mit dem Senat, mit dem Bezirksamt und der BVV (Bezirksverordnetenversammlung, Anm. d. Red.) verlassen kann.«
»Senat und Abgeordnetenhaus beraten gerade über die Verwaltungsreform«, ergänzt der SPD-Abgeordnete Schlüsselburg. Allerdings würde anhand des vorliegenden Falls deutlich: »Eine noch so gut gemachte Verwaltungsstruktur wird allein nicht zünden, wenn Beamte nur in Problemen und nicht in Lösungen denken.«
Auf die Frage, wie denn aus Sicht des Bezirks die zweckgebundenen 500 000 Euro noch innerhalb dieses Jahres eingesetzt werden könnten, antwortet Stadträtin Schuler: »Das zuständige Fachamt kann einen Antrag auf Verschiebung/Umwidmung stellen.« Das zuständige Fachamt ist das bezirkliche Sportamt.
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