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Sachsens DGB sieht Giftmischer am Werk
Ungewöhnliche Allianz wendet sich gegen Sparkurs der Landesregierung im Freistaat
Vier Wochen sind noch Zeit. In der letzten Juniwoche trifft sich der sächsische Landtag zur letzten Sitzung vor der Sommerpause. Dann soll der Haushalt für dieses und das nächste Jahr beschlossen werden, der wegen der Landtagswahl im September 2024 und der anschließenden Regierungsbildung bisher nicht verabschiedet ist. Ob es einen Beschluss gibt, ist offen. Die Minderheitsregierung aus CDU und SPD benötigt zehn Stimmen aus der Opposition. Verhandlungen laufen; weißer Rauch stieg bislang nicht auf.
Für viele vom Land geförderte Initiativen und Vereine ist die Landtagssitzung ein entscheidendes Datum. Bisher erhalten sie im laufenden Jahr nur einen Bruchteil der eigentlich nötigen Mittel. Viele haben Reserven angekratzt, die Arbeitszeit der Mitarbeiter reduziert oder Angebote zusammengestrichen. Wird auch im Juni kein Etat beschlossen, droht eine nicht mehr zu schließende Finanzierungslücke. »Dann werden zahlreiche Träger und Initiativen nicht in der Lage sein, ihre wichtige Arbeit fortzusetzen«, warnten dieser Tage gemeinsam der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), der Paritätische Wohlfahrtsverband, das Studierendenwerk sowie das Netzwerk Tolerantes Sachsen und der Sächsische Flüchtlingsrat.
Sie blicken allerdings auch mit Sorge auf die Kabinettsvorlage zum Haushalt, die seit voriger Woche in den Ausschüssen des Landtags beraten wird. Diese sieht für das Land, das einst wegen niedriger Verschuldung und hoher Investitionsquote als finanzpolitischer Musterknabe Ostdeutschlands galt, »Kürzungen in allen Bereichen« vor, wie Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) ankündigte. Auslöser seien große Finanzlöcher. Für 2025 fehlen 2,3 Milliarden Euro, was knapp einem Zehntel des Etatvolumens von 2024 entspricht. Im Jahr darauf sind es zwei Milliarden. CDU-Finanzminister Christian Piwarz erklärte, Gestaltungsspielräume etwa bei Fördermitteln »stehen zum jetzigen Zeitpunkt nicht zur Verfügung«.
Die Folgen wären beispielsweise in Beratungsstellen für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen oder mit Schulden zu spüren, in Integrationsprojekten, bei der politischen und Demokratiebildung, in Kindertagesstätten oder an den Hochschulen. Es drohen Kürzungen bei Investitionen in die Infrastruktur, die Wirtschaftsentwicklung, die Bildung und das Personal. »Das richtet dauerhaft Schaden an«, sagt DGB-Landeschef Markus Schlimbach, der auch von einem »falschen Signal und Gift für den gesellschaftlichen Zusammenhalt« spricht.
»Das richtet dauerhaft Schaden an.«
Markus Schlimbach DGB-Landeschef
Wie viele Bereiche betroffen wären, wurde an der ungewöhnlich breiten Allianz deutlich, die jetzt auf die Folgen der Sparpolitik hinwies. Michael Richter, Landesgeschäftsführer der Parität, merkte an, die Kürzung von Betreuungszeiten in Kitas erschwere die Vereinbarkeit von Familie und Beruf; wenn bei Suchthilfe und Schuldnerberatung gekürzt werde, erhöhe das die Kosten im Gesundheitswesen und der Justiz. Andrea Hübler vom Netzwerk Tolerantes Sachsen drängte darauf, geplante Einschnitte bei Demokratiearbeit, politischer Bildung, Integration, Gleichstellung und der Beratung gegen Rechtsextremismus zurückzunehmen: »Demokratie ist kein Selbstläufer. Sie muss aktiv gestärkt und geschützt werden.« Mathias Fröck vom Studierendenrat der TU Dresden befürchtet, dass mittelfristig Mensen und Wohnheime geschlossen werden müssen, und warnte, das beträfen vor allem Studenten, die »ohnehin bereits zu kämpfen haben«. Angela Müller vom Flüchtlingsrat sagte: »Wer heute Integrationsarbeit kappt, riskiert den sozialen Frieden von morgen.«
Die Allianz fordert, »mehr Ressourcen für kraftvolle Investitionen in die Zukunft zu mobilisieren«, wie es DGB-Chef Schlimbach ausdrückte. Richter forderte, die »Spielräume« der Schuldenbremse und des vom Bund aufgelegten Sondervermögens »klug zu nutzen«. Kürzlich hatten bereits mehrere CDU-Landräte darauf hingewiesen, dass der Bund die Regeln zur Schuldenbremse gelockert habe. Damit wäre in Sachsen »eine Schuldenaufnahme von rund 567 Millionen Euro ab sofort möglich«, erklärten sie. In der Opposition finden solche Forderungen Zustimmung. Die Landtags-CDU sträubt sich bisher. Allerdings läuft ihr auch die Zeit für einen Haushaltsbeschluss davon.
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