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SuperReturn: »Schöner Tag« für Finanzinvestoren
Jährlich verhandeln Großanleger auf der »SuperReturn« den Preis der Daseinsvorsorge
»The capital of private capital« – die Hauptstadt des privaten Kapitals. Je nach politischer Einstellung klingt der neue Slogan der SuperReturn International, der laut Eigendefinition jährlich größten weltweiten Konferenz von Finanzinvestoren, entweder vielversprechend oder gruselig. Seit 1997 treffen sich in Berlin die Verwalter von inzwischen etwa 50 Trillionen US-Dollar mit dem Ziel, weitere Deals über Investitionen zu schließen. Die Bürgerbewegung Finanzwende bezeichnet das Treffen als »Speed-Dating der Finanzinvestoren«. Einen »beautiful day«, also schönen Tag, verschaffen soll ihnen dieses Jahr U2-Sänger Bono. Allerdings nicht durch seinen gleichnamigen Hit, sondern einen Wirtschaftsvortrag. Auch Tennisprofi Serena Williams ist als Gastrednerin geladen.
»Finanzinvestoren kaufen sich in die Daseinsvorsorge ein und machen sie zu einem lukrativen Geschäft«, kritisiert Jorim Gerrard, Referent für die Themen Finanzsystem und Realwirtschaft bei Finanzwende, die SuperReturn. Finanzinvestoren sind Vermögensverwalter und sogenannte Private Equity Firmen aus der Finanzbranche wie etwa Blackstone. Der Konzern verwaltet Gelder in der Größenordnung des niederländischen Bruttoinlandsprodukts.
Das Geschäftsmodell der Private Equities: Sie kaufen Unternehmen auf, strukturieren sie um und verkaufen sie in der Regel nach fünf bis sieben Jahren gewinnbringend weiter. Dabei versprechen sie ihren Geldgebern Renditen von um die 20 Prozent im Jahr. Am klassischen Wohnungsmarkt sind sie, selbst bei Immobilieninvestitionen in Toplagen, deutlich geringer. »Solche Renditen sind durch kluges Wirtschaften allein nicht zu erklären«, folgert Gerrard.
»Finanzinvestoren kaufen sich in die Daseinsvorsorge ein und machen sie zu einem lukrativen Geschäft.«
Jorim Gerrard Finanzwende
Was für die Bevölkerung vor Ort derlei renditengetriebene Investitionen bedeuten, erklärt Franz Michel, Leiter des Bereichs Wohnungs- und Mietenpolitik des Deutschen Mieterbunds. Man sehe die Auswirkungen zum Beispiel bei der Adler Group, die inzwischen bekannt dafür sei, ihre Immobilienstände »systematisch verkommen zu lassen«, um Kosten zu sparen. Oder bei der Übernahme von Deutsche Wohnen durch den Wohnkonzern Vonovia vor einigen Monaten. Letzterer sparte durch das Nutzen einer Gesetzeslücke die Grunderwerbsteuer.
Mit Tricksereien würden im Sinne der Profitmaximierung systematische Mieterhöhungen durchgeführt, reglementierende Maßnahmen umgangen oder Mieter*innen bei Fernwärmekosten »abgezockt«. Das treffe vor allem aktuelle oder ehemalige Sozialwohnungen, die eigentlich Mietpreise regulieren sollten. Etwa eine Million Wohnungen befänden sich derzeit bundesweit in der Hand von börsennotierten Konzernen. In Berlin seien es sogar um die 15 Prozent der Wohnungen, so Michel. Es brauche deshalb eine Verdoppelung öffentlicher Wohnungen und eine Preisaufsicht am Energiemarkt.
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Ein Bereich, der »besonders hart von der Kommerzialisierung betroffen ist«, sei das Gesundheitswesen, sagt Sylvia Bühler. Sie ist Leiterin des Fachbereichs Gesundheit der Gewerkschaft Verdi. Ein Beispiel, das die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung vergangenen Sommer ausarbeitete, ist die Alloheim-Pflegegruppe. 2017 übernahm sie die schwedische Nordic Capital Group, heute ist sie der größte private Pflegeanbieter in Deutschland.
Das Personal stellt in der Pflege den größten Kostenpunkt dar. Finanzinvestoren versuchen deshalb vor allem durch kleine Personalschlüssel und niedrige Gehälter zu sparen. Das zeigt sich zum Beispiel in der Personalaufwandsquote, die darüber Auskunft gibt, wie viel Geld ein Unternehmen für Personal ausgibt. Diese lag bei Alloheim 2021 bei 55 Prozent, bei nicht-kommerziellen Betrieben zum Teil bei über 70 Prozent.
Diese Einsparungen bekommen auch Pflegebedürftige zu spüren. Zudem kosten Zimmer in den Einrichtungen inzwischen teils um die 800 Euro. Laut der Böckler-Stiftung gehörten 2022 rund 30 Prozent der Pflegeheimplätze in Deutschland Private Equities. In dem Bereich braucht es dringend mehr Verlässlichkeit und Planung. »Gerade dafür steht Private Equicy nicht«, bemängelt Bühler. Deshalb sei eine zentrale Kontrollstelle umso wichtiger. Außerdem müsse die Finanzierung an die Gemeinnützigkeit geknüpft, Überschüsse also in die Gesellschaft reinvestiert werden.
Ein weiterer Bereich bereitet Reiko Wöllert von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Sorgen. Besonders im Osten übernehmen Investoren zunehmend Landwirtschaftsbetriebe. Wie in den anderen Sektoren fällt das vor allem seit der Finanzkrise 2008 auf. Prinzipiell haben Bäuer*innen durch das Grundstücksverkehrsgesetz ein Vorkaufsrecht auf landwirtschaftliche Flächen. Das Gesetz aus den 60ern gilt aber nicht für Betriebe, welchen juristische Personen vorstehen.
Diese Lücke nutzen Großinvestoren wie die Münchner Rückversicherungs-Gesellschaft, um wertsichere, risikominimierte Anlagen umzusetzen. Als Folge steigen die Bodenpreise und für Landwirte wird es immer schwieriger, sich gegen Großinvestoren zu behaupten. Die Gesetzeslücke zu schließen, ist Ländersache und zuletzt in den Thüringer und Brandenburger Parlamenten gescheitert. Das liege am starken Einfluss der Agrarlobby, sagt Wöllert. »Der einzige Weg, das durchzusetzen, ist ein Bürgerbegehren«, ist er überzeugt. Dazu startet die AbL nun ein Leuchtturmprojekt in Thüringen.
»Finanzinvestoren können in die Schranken gewiesen werden, wenn genügend Menschen das wollen«, ist Gerrard überzeugt. Eine allgemeine Maßnahme, um Anreize für Investitionen in Deutschland zu mindern, wäre, die Ausschüttungen von Renditen gesetzlich zu begrenzen, sagt Gerrard auf »nd«-Nachfrage. Dazu wird sich Bono während seines SuperReturn-Vortrags über das »langjährige Vertrauen in die Macht der Geschäftswelt, Entwicklung voranzutreiben« wohl kaum äußern.
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