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Streik am Helios-Klinikum in Buch: Lohnfalle Ostberlin

Therapeut*innen des Helios-Klinikums streiken seit Ostern

Gemeinsame Arbeitsniederlegung: Therapeut*innen der Helios Klinik in Buch und das Servicepersonal der Charité-Tochter CFM
Gemeinsame Arbeitsniederlegung: Therapeut*innen der Helios Klinik in Buch und das Servicepersonal der Charité-Tochter CFM

Die Gehwege waren zum Teil weiß vom Schnee, als der Arbeitskampf der Therapeut*innen am Helios-Klinikum Berlin-Buch im Januar mit Warnstreiks das erste Mal so richtig Fahrt aufnahm. Mittlerweile gehen wir auf die ersten Temperaturspitzen in diesem Jahr zu und auch die Beschäftigten der Helios Therapie Ost GmbH (HTO) haben den Druck auf die Geschäftsführung erhöht. Seit 25 Tagen wird unbefristet gestreikt.

Bei der HTO arbeiten Physio- und Ergotherapeut*innen, Logopäd*innen und Kunsttherapeut*innen. 2012 wurde sie aus der Muttergesellschaft ausgegründet. Da die Therapeut*innen der HTO seitdem vom Konzerntarifvertrag und damit von der Entwicklung der Löhne bei den Helios-Kliniken abgekoppelt sind, verdienen sie bis zu 1500 Euro weniger als ihr Kolleg*innen in den gleichen Berufen. Das behauptet die Gewerkschaft Verdi. Sie fordert von der Geschäftsführung der HTO, die sich mit der Hausleitung deckt, eine Vereinbarung zur Angleichung an den Konzerntarif.

Auf Nachfrage erklärt der Konzern nur, dass man verschiedene Möglichkeiten einer Tarifbindung für die therapeutisch Beschäftigten prüfe. Laut Verdi-Gewerkschaftssekretärin Gisela Neunhöffer habe das letzte Angebot der Arbeitgeber nur niedrige Lohnerhöhungen und keine Vereinbarung über eine Angleichung an den Konzerntarif vorgesehen. »Das wurde von der Belegschaft abgelehnt.« Daraufhin habe es von Seiten der Leitung keinen weiteren Gesprächstermin gegeben, sagt Neunhöffer. »Seitdem steht der Streik stabil. 20 bis 30 Kolleg*innen sind jeden Tag im Ausstand, während etwa zehn Beschäftigte noch ihrem Dienst nachgehen – für 1000 Betten.«

Verdi sei weiterhin verhandlungsbereit, habe selbst eine stufenweise Angleichung angeboten, »obwohl das sicherlich auch sofort ginge«, sagt Neunhöffer. »Eigentlich wäre die Wiedereingliederung in den Mutterkonzern geboten, das können wir tariflich nicht fordern.« Und, meint die Verdi-Sekretärin, »der Standort Buch ist eine der Cashcows eines Konzerns, der nach wie vor hunderte Millionen an Gewinnen macht«.

»Wenn ich mir ansehe, wie meine Kolleg*innen an anderen Helios-Standorten bezahlt werden, bleibt vor allem ein Gefühl der Ungerechtigkeit und der Geringschätzung.«

Manuel Breuer Kunsttherapeut am Helios-Klinikum Berlin-Buch

Einst waren 84 Therapeut*innen bei der HTO beschäftigt. Mittlerweile sind es nur noch 54. In der Gewerkschaft sind 40 von ihnen, wie der Kunsttherapeut Manuel Breuer. Seit drei Jahren arbeitet er in Buch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und in der palliativen Versorgung. Breuer hat eine 85-Prozent-Stelle. Mit einer Vollzeitstelle läge sein Monatsgehalt bei 3100 Euro brutto. Nach dem Konzerntarif würde er etwa 700 Euro mehr verdienen. Gemessen an seiner Ausbildung sei das eine Bezahlung »unter Wert«, sagt Breuer. »Wenn ich mir ansehe, wie meine Kolleg*innen an anderen Helios-Standorten bezahlt werden, bleibt vor allem ein Gefühl der Ungerechtigkeit und der Geringschätzung.«

Die Stammbeschäftigten bekämen darüber hinaus eine Jahressonderzahlung, für eine Vollzeitstelle müssten sie 38,5 Stunden pro Woche arbeiten, bei der HTO sind es 40 Stunden. Für den Kunsttherapeuten liegt es auf der Hand, dass die »deutlich schlechteren Konditionen« zu dem Personalrückgang geführt haben.

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Mittlerweile könnten bestimmte Leistungen nicht mehr oder nicht mehr für alle Patient*innen erbracht werden, sagt Gisela Neunhöffer von Verdi. Jetzt im Streik sei das etwa die Ergotherapie. Aber auch im Alltag würden Patient*innen häufig keine Therapeut*innen mehr sehen. »Aktuell wird der Berliner Krankenhausplan erarbeitet«, sagt Neunhöffer, »hier sollten die Politik und die Gesundheitsaufsicht noch mal genau hinschauen, inwieweit das Klinikum seinem Auftrag als Maximalversorger im Berliner Nordosten tatsächlich gerecht wird.« Das Bundeskrankenhausgesetz schreibt den Ländern vor, mittels Planung die Versorgung zu gewährleisten. Der Berliner Krankenhausplan 2020 läuft in diesem Jahr aus.

Wie an den meisten Helios-Kliniken sind auch die Therapeut*innen des Helios-Klinikums Emil von Behring in Zehlendorf bei der Muttergesellschaft angestellt. Sie verdienen nach Konzerntarif. »Die Schlechterstellung von Therapeut*innen in Buch im Vergleich zu ihren Kolleg*innen in Zehlendorf ist eine offensichtliche Ost-West-Diskriminierung«, meint Gewerkschaftssekretärin Neunhöffer.

Trotz aller Optimismusbekundungen: Bisher lässt der Erfolg des Arbeitskampfes noch auf sich warten. Je länger der Streik geht, desto größer wird das Loch im Geldbeutel. Das Streikgeld gleicht nicht den vollen Lohn aus. Bei den Kolleg*innen der Charité-Tochter CFM hatte es am Ende 48 Tage gedauert, bis eine Einigung zur Angleichung der Gehälter feststand.

»Wir waren am Anfang alle nicht so streikerfahren. Da haben wir schon noch größere Hoffnungen gehabt«, sagt der Kunsttherapeut Manuel Breuer. Mittlerweile sei es schwierig. »Wir setzen alles daran, das Durchhaltevermögen und den Kampfgeist aufrechtzuerhalten. Wir werden auch weiterhin Aktionen und Kundgebungen machen, um auf unsere Situation hinzuweisen. Wir brauchen aber auch Unterstützung aus der Politik«, sagt Breuer.

Ein großer Teil ihres Hauses steht hinter den Therapeut*innen. Von den 3000 Beschäftigten unterschrieben 700 eine Petition, die das Vorhaben unterstützt.

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