Proteste gegen Bundeswehr-Partys

Erstmals wurde in Deutschland der Veteranentag in Form von Volksfesten begangen. In vielen Städten gab es Aktionen gegen Militarisierung

In Berlin protestierte am Sonntag ein antimilitaristisches linkes Bündnis gegen den Veteranentag.
In Berlin protestierte am Sonntag ein antimilitaristisches linkes Bündnis gegen den Veteranentag.

Laut Bundesregierung ist der neue Veteranentag – noch von der Ampel-Koalition wurde seine Einführung beschlossen – nötig, um die Verdienste ihrer aktiven und ehemaligen Soldaten zu würdigen. Am Sonntag geschah dies erstmals bundesweit mit Festveranstaltungen, Bundeswehr-Appellen, Militärvorführungen. Verteidigungsminister Boris Pistorius bezeichnete die Angehörigen der Bundeswehr als »zentralen Bestandteil der Gesellschaft und Garanten für Frieden und Sicherheit« in Deutschland und Europa. »Ihr Platz ist in der Mitte der Gesellschaft«, sagte der SPD-Politiker bei einem Beförderungsappell in Hamburg.

Während es auf den Straßen bundesweit auch Proteste gegen das Abfeiern der Truppe gab, kamen im Deutschlandfunk nur Fans der Bundeswehr und Politiker*innen zu Wort. Dabei gibt es Kritik und Aktionen dagegen schon seit Wochen. Am Wochenende kaperten Antimilitarist*innen in 13 Städten Werbevitrinen und hängten gefälschte Bundeswehr-Plakate darin auf. Zu lesen ist auf den im Flecktarn-Design der Bundeswehr gestalteten Postern: »Mit Nazi-Preppern abhängen?« und »Deutscher Mix: Nazis, Patronen, Einzelfälle«.

Dies wurde mit dem pinkfarbenen Slogan »Nein zum Veteranentag!« kombiniert. Initiiert hat die Plakataktion das Antimilitaristische Aktionsnetzwerk in der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinte KriegsdiensgegnerInnen (DFG-VK). »Die Sprüche sind Anspielungen auf eine Reihe rechter Skandale rund um die Bundeswehr und die Veteranenverbände« sagt Kai N. Krieger, Sprecher*in des Netzwerks.

Aber es blieb nicht bei diesen Adbusting-Aktionen. In Berlin startete am Sonntagnachmittag die Demonstration eines antimilitaristischen Bündnisses, an der allerdings nur knapp 400 Menschen teilnahmen. Enttäuscht zeigte sich von der geringen Teilnahme Kai, der eine Fahne mit einer Friedenstaube mit sich führte. »Wahrscheinlich hat die Hitze einige Menschen von der Teilnahme abgehalten«, vermutete er. Tatsächlich war es am Sonntagnachmittag schwülheiß und die Menschen suchten Schatten.

Auch in der Zitadelle im niedersächsischen Vechta protestierten einige Antimilitaristen gegen den dortigen feierlichen Reservistenappell mit »Schwurbekräftigung« im Rahmen des Veteranentags.
Auch in der Zitadelle im niedersächsischen Vechta protestierten einige Antimilitaristen gegen den dortigen feierlichen Reservistenappell mit »Schwurbekräftigung« im Rahmen des Veteranentags.

Ein junger Mann kritisierte, dass man auf den ersten Blick nicht erkennen konnte, dass es sich um eine antimilitaristische Demonstration handelte. Ein Meer von Palästinafahnen war zu sehen und auch eine Nationalfahne des Iran. Da gingen die Transparente, die sich gegen Krieg und Nationalismus richteten, fast unter.

Dabei hatten einige Demonstrant*innen auch sehr individuelle Botschaften mitgebracht. »Bekämpft Euch selber und lasst die Zivilist*innen in Ruhe«, hatte eine Frau auf das Schild geschrieben, das sie in die Höhe hielt. Besonders viel Arbeit hat sich Werner Moormann-Dressel gemacht. Er hat eine komplexe Schmiedearbeit mitgebracht, in der die Parole »Make Love not War« zu lesen war. Unter dem Motto »Schmieden für den Frieden« nimmt der Dorfschmied von Blankenfelde-Mahlow mit seinen Kunstwerk häufiger auf Friedensdemonstrationen teil.

Auf der Demonstration waren auch viele junge Menschen vertreten, die Flyer und auch längere Manifeste verteilten. Dazu gehörte auch eine Broschüre zur antimilitaristischen Kampagne des Studierendenkollektivs. Dort wird beschrieben, wie die antimilitaristische Arbeit an den Hochschulen entwickelt und wie Widerstand gegen die Militarisierung an den Hochschulen geleistet werden kann.

Darum ging es auch in den zahlreichen Redebeiträgen, die auf der Demonstration von den beiden Lautsprecherwagen gehalten wurden. »Wenn es uns nicht gelingt, an den Hochschulen und an den Arbeitsplätzen den Kampf gegen die Militarisierung voranzutreiben, werden wir nicht mehr Menschen auf die Straße bringen«, sagte eine Rednerin mit Verweis auf die kleine Zahl der Demonstrant*innen.

Eine wichtige Rolle wird da in Zukunft auch der Kampf gegen die Umwandlung von Zivil- und Rüstungsproduktion spielen, die bereits stattfindet. Im Berliner Stadtteil Wedding soll demnächst Rheinmetall Bestandteile für Waffen produzieren, wo es bisher Zivilproduktion gab. Dagegen wendet sich die Basisorganisation Gesundbrunnen der Linken, die die Demonstration unterstützte.

Zu den Rednern gehörte auch Daniel Lücking, selbst Veteran der Bundeswehr und nd-Autor. Er machte auf die real schwierige Lage vieler verletzter und traumatisierter Veteranen aufmerksam. »Es werden einige zehntausend Euro in ein Volksfest gesteckt, während die Probleme für viele Betroffene fortbestehen«, sagte er »nd«. Die Danksagungen schwer verletzter Ex-Soldaten auf der Webseite des Veteranentages könnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass andere Betroffene »bis zu 15 Jahre um Anerkennung einer kriegsbedingten Schädigung kämpfen mussten«. Es mangele »an Gutachtern und den per Gesetz zugesicherten Kompensationen«.

Lückig fragt außerdem: »Warum wird ausgerechnet Soldatinnen ein solcher Tag gewidmet, während Pflegekräfte, Müllwerkerinnen, Erzieher*innen und andere Berufsgruppen kein Volksfest gestiftet bekommen. Wer einzelne Berufsgruppen so hervorhebt oder glorifiziert zeigt nur, dass es am Verständnis mangelt, wie gesellschaftlicher Zusammenhalt gefördert werden kann.«

In Hörweite der Berliner Festveranstaltung gab es eine weitere Kundgebung des Provisorischen anarchistischen Antikriegsrats. Dort hatten sich 50 Antimilitarist*innen versammelt, die die in Uniform vorbeigehende Veteran*innen zum Desertieren aufforderten. Die Angesprochenen ignorierten das. Einige junge Menschen in Uniform hatten sich auch auf dem Platz versammelt. Sie gehörten zur »Clownsarmee«, die mit lustigen Aktionen auch die Polizei irritierte. Einige Antimilitarist*innen schafften es auf die Wiese vor den Reichstag. Sie skandierten Parolen und pfiffen.

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