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Dauphiné: Pogačars Siegshow und Lipowitz’ Ausrufezeichen
Der Slowene gewinnt in großem Stil, der Deutsche setzt eine Marke beim Acht-Tage-Rennen in Frankreich
Dieses Mal waren es nicht nur die Siege, die überzeugten. Auf drei Etappen überquerte Sloweniens Radstar Tadej Pogačar als Erster den Zielstrich. Innerhalb von acht Tagen gelang ihm das, was schon allein eine enorme Erfolgsquote darstellt. Der Gesamtsieg war ihm so nicht zu nehmen. Noch beeindruckender als seine Siegesserie aber war die Lockerheit, die er dabei ausstrahlte. Während sein dänischer Rivale Jonas Vingegaard einen ziemlich verbissenen Eindruck beim Versuch machte, Druck auf den Slowenen auszuüben, verfiel dieser in den Modus eines verspielten Kätzchens. Er missachtete einfach die alte Weisheit des Ausdauersports, dass die Basis des Siegens im permanenten Kräftesparen liegt. Statt sich wie üblich die Trinkflaschen von seinen Teamkollegen bringen zu lassen, ließ er sich bei dieser Rundfahrt schon mal selbst zum Teamauto zurückfallen und schleppte Proviant für seinen nominellen Helfer Pavel Sivakov (Frankreich) nach vorn.
Es sind solche kleinen Gesten, die große Champions auszeichnen. Zugleich sendet Pogačar die Botschaft an Vingegaard und dessen Rennstall Visma–Lease a Bike: Was ihr euch auch einfallen lassen mögt, ihr werdet mich nicht an den Rand meiner Reserven bringen.
Für die Tour de France verspricht das wenig Freude. Pogačar und sein UAE-Team wirken enorm überlegen. Sie lassen anderen Teams Raum, um auch mal etwas zu versuchen. Lidl–Trek etwa durfte die Sprintetappen gestalten und fuhr mit dem derzeit wohl schnellsten Mann im Peloton, dem Italiener Jonathan Milan, auch einen überzeugenden Sieg ein. Ausreißer wurden ebenfalls weggelassen. Am Sonntag etwa lieferte Klassikerspezialist Mathieu van der Poel (Niederlande) eine Soloshow ab. Ihn fing dann aber noch der stärkere Kletterer Lenny Martinez (Frankreich) ab.
Auch der Deutsche Florian Lipowitz profitierte von der langen Leine, die Pogačars Team bei dieser Rundfahrt den Ausreißern gewährte. Auf der 3. Etappe schrammte er als Vierter der Gruppe nur knapp am Etappensieg vorbei. »Eigentlich war es nicht geplant, dass ich in die Gruppe gehe. Maxim sollte da sein«, spielte er auf seinen Teamkollegen Maxim Van Gils (Belgien) an. »Als ich dann aber drin war, war das Ziel schon, das Maximale herauszuholen«, gab er zu. Er war auch einer der Aktivsten in der Gruppe, reagierte immer wieder auf Attacken, griff auch selbst an. Es war eine Vorstellung, die Lust auf mehr machte.
Das Mehr lieferte der Ex-Biathlet dann auch. Auf den rennentscheidenden Bergetappen am Freitag und Samstag hielt er tapfer in der Favoritengruppe mit. Pogačar und Vingegaard fahren zwar noch in einer eigenen Liga. »Als ich Jonas folgen wollte, habe ich schnell gemerkt, dass ich zu tief ging«, blickte Lipwitz auf die Königsetappe am Samstag zurück. Er teilte aber seine Kräfte gut ein. Und an beiden Tagen kam er vor dem eigentlich Dritten der Favoriten, dem Belgier Remco Evenepoel, ins Ziel. »Ich wusste, dass ich in guter Form bin. Aber dass ich so gut bin, um ganz vorne mitzufahren, hätte ich nicht erwartet«, schätzte er selbst ein.
Am Abschlusstag konnte er nicht ganz daran anknüpfen. Etwa 20 Kilometer vor dem Ziel musste er abreißen lassen. Sein dritter Gesamtplatz geriet in Gefahr. Bei einem Antritt Vingegaards allerdings kam auch Evenepoel an die Grenze seiner Kräfte. Vingegaard und Pogačar fuhren allein vorneweg. Lipowitz schloss wieder zu Evenepoel auf.
Selbst wenn der Sonntag keine Hurra-Vorstellung mehr von Lipowitz war, so überzeugte doch, wie gut er die Schäden begrenzte. Lohn war neben dem dritten Gesamtrang auch der Gewinn der Nachwuchswertung.
Seinen Startplatz für die Tour de France dürfte er damit sicher haben, selbst wenn Teamchef Ralph Denk gegenüber »nd« betonte, die letzte Entscheidung erst in den nächsten Tagen treffen zu wollen.
Tadej Pogačar indes weiß ganz genau, dass er nicht nur bei der Tour starten, sondern als einsamer Top-Favorit zum Grand Depart nach Lille reisen wird. Dass sein Team Ausreißer wie den Spanier Ivan Romeo (Movistar, Sieger der 3. Etappe) und Lenny Martinez (Bahrain Victorious) gewähren ließ, darf man auch schon als taktisches Manöver in Richtung Tour werten. Beide Fahrer, beide Teams werden in bestimmten Rennsituationen sicher nicht von einer Zusammenarbeit mit Pogačar Abstand nehmen. Die großen Verlierer des Aufgalopps vor der Tour sind indes Vingegaard und Evenepoel.
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