Spree-Badeverbot in Berlin: Stadtpolitische Schwimmzüge

Planschende Demonstrierende wollen Abkühlung im Haptstadt-Fluss

Zwischen Schloss und Schinkel-Statue: Etwa 300 Berliner*innen demonstrieren gegen das pauschale Badeverbot und wollen sich die Stadtmitte rund um die Museumsinsel zurückholen.
Zwischen Schloss und Schinkel-Statue: Etwa 300 Berliner*innen demonstrieren gegen das pauschale Badeverbot und wollen sich die Stadtmitte rund um die Museumsinsel zurückholen.

»Es war super.« »Wärmer als im Freibad.« »Das Wasser ist sehr klar.« »Das sollten wir öfter machen.« Vor dem Stadtschloss und dem Berliner Dom stehen Berliner*innen in Badeklamotten begeistert am Rande des Spreekanals. Sie sind just aus dem Wasser geklettert. Andere Schwimmer*innen verweilen noch in der Spree, lachen und jubeln über die Gelegenheit, sich mitten im Touri-Viertel rund um die Museumsinsel bei schönstem Sommerwetter im Fluss abkühlen zu können. Im Allgemeinen ist genau das nämlich verboten: Seit 100 Jahren gilt ein pauschales Badeverbot in der innerstädtischen Spree. Wer erwischt wird, muss 25 Euro hinblättern. Die rund 300 schwimmenden Aktivist*innen wollen das kippen und haben deswegen am Dienstagabend eine Bade-Demonstration im Spreekanal veranstaltet.

»Die Wasserflächen, die wir haben, sollten ökologisch aufbereitet werden, damit die breite Bevölkerung sie nutzen kann«, sagt Demonstrantin Laura zu »nd«. Sie hat Stadtplanung studiert und wohnt an der Oberbaumbrücke im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg – im Sommer würde sie gerne direkt vor der Haustür in die Spree hüpfen können. »Wir haben ja das Wasser, das ist ein verschenktes Potenzial.«

Für den Verein Flussbad, der seit vielen Jahren für Badestellen in der Spree kämpft, ist es auch eine Frage der Klimagerechtigkeit. »Es wird bald sehr heiß werden, gerade hier in der Innenstadt mit den vielen versiegelten Flächen«, sagt Katrin Androschin vom Verein zu Beginn der Bade-Demonstration. Dann würden die einen in den langen Schlangen vor den Freibädern stehen, die anderen, die sich den Eintritt nicht leisten können, würden aus der Stadt herausfahren. »Es könnte viel einfacher sein: Wir könnten die Abkühlung direkt vor der Haustür haben.«

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Auch für Tobias Schulze, Ko-Fraktionschef der Linken im Abgeordnetenhaus, stellt sich die Frage: »Wem gehört die City?« Diejenigen, die sich gegen eine Badestelle im Spreekanal aussprächen, hätten kein Interesse daran, dass in der touristischen Mitte Berlins Anwohner*innen im Wasser planschen. Hier seien Bertelsmann-Stiftung, Hotels und »die Karikatur eines Schlosses« – lebendig sei die Gegend aber nicht. »Wir holen uns die Mitte zurück! In Badehose sind wir alle gleich«, sagt Schulze, der seinen kleinen Redebeitrag im Bademantel hält und im Anschluss zusammen mit den anderen Schwimmer*innen in den Spreekanal hinabsteigt. Auch die SPD-Abgeordnete Linda Vierecke hat sich am Dienstag der Schwimmdemonstration angeschlossen und verspricht ihre Unterstützung für das Flussbad-Projekt.

Die politische Unterstützung für eine Badestelle im Spreekanal schwankte in den vergangenen Jahren. Eine Förderung des Vereins Flussbad hat der Senat vor Kurzem eingestellt. Der Bezirk Mitte hingegen hatte im Mai zum »Tagesspiegel« gesagt, man halte eine Pilotbadestelle im Sommer 2026 für realistisch.

»Wir holen uns die Mitte zurück! In Badehose sind wir alle gleich.«

Tobias Schulze (Linke)
Ko-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus

Der Verein Flussbad forderte eine solche schon lange. Waren zunächst noch Filteranlagen angedacht, gehe es inzwischen ohne – denn mit moderner Monitoring-Technik lasse sich in Echtzeit feststellen, ob die Wasserqualität gut genug zum Baden sei, sagt Tim Edler vom Verein. Das sei an vielen Sommertagen nämlich gegeben und so bestehe kein Grund, die Bevölkerung nicht in den Fluss zu lassen. »Hier haben wir zwei Kilometer ungenutzten Kanal«, sagt Edler zu »nd«. Güterverkehr gebe es hier nicht mehr, stattdessen werde der Kanal von Ausflugsschiffen genutzt – also als Ort für Freizeit und Erholung. »Das Badeverbot ist aus der Zeit gefallen«, sagt Edler. Das zeigten auch die Beispiele anderer Städte wie etwa Paris, Basel, Kopenhagen und Rotterdam.

Perspektivisch stellt sich Flussbad Berlin vor, dass in der gesamten Stadt ohne großen Aufwand Badestellen eingerichtet werden können – man brauche Einstiegsstellen und Wasser-Monitoring, auf eine Aufsicht könnte wie in Kopenhagen gegebenenfalls verzichtet werden. Als längerfristiges Ziel sollte die Wasserqualität in der Spree dennoch verbessert werden. Dafür brauche es aber einen Richtungswechsel der Politik: »Der Fokus sollte darauf liegen, das Baden möglich zu machen«, sagt Edler.

Das wünscht sich auch Bade-Demonstrant Mathias Miklaw aus Friedrichshain. Seine Badezeit im Spreekanal hat Miklaw sehr genossen – um das öfter machen zu können, würde er auch aus Friedrichshain nach Mitte fahren.

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