Haushaltspläne des Bundes: Rekordverschuldung für die Truppe

Kabinett beschließt Eckdaten der Etats bis 2029. Enormer Aufwuchs nur beim Posten für Verteidigung

Mehr Soldaten und Ertüchtigung der Straßen fürs Militär haben Priorität. Ob für ÖPNV und Schulen genug Geld da ist, steht in den Sternen.
Mehr Soldaten und Ertüchtigung der Straßen fürs Militär haben Priorität. Ob für ÖPNV und Schulen genug Geld da ist, steht in den Sternen.

Die Zahlen, die bereits am Montag durchgesickert waren, haben es in sich. Bereits bis zum Jahr 2029 soll allein der direkte Etat des Bundesverteidigungsministeriums (BMVg) auf die vom Nordatlantikpakt faktisch bereits beschlossenen 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung anwachsen. Damit will die Bundesrepublik das Nato-Ziel deutlich früher erreichen, also viel früher als in der vor dem Gipfel des Bündnisses in Den Haag bekannt gewordenen Abschlusserklärung vorgegeben. Dort ist dies für das Jahr 2035 vorgesehen.

Konkret sollen 2029 laut den Planungsdaten von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) fast 153 Milliarden Euro für die Bundeswehr ausgegeben werden und damit weit mehr als doppelt so viel wie in diesem Jahr. Zum Vergleich: Für das laufende Jahr umfasst der Etat des BMVg 62,4 Milliarden Euro. Die Ampel-Koalition hatte vor ihrem Auseinanderbrechen noch mit 53,25 Milliarden für dieses Jahr geplant. Dazu kommen noch die Anteile aus dem 2022 aufgelegten 100-Milliarden-Sondervermögen für die Truppe.

Am Dienstag stellte Klingbeil die Haushaltsplanung für alle Ressorts für dieses und die darauffolgenden vier Jahre vor. Dabei verteidigte er die geplante Rekordverschuldung. »Ich will auch Investitionsminister in diesem Land sein«, teilte er mit. »Die schwarze Null ist für mich kein Wert an sich, wenn dabei Brücken vergammeln und Schulen vergammeln und die Bundeswehr vernachlässigt wird«, sagte er. Und stellte damit diejenigen Kreditaufnahmen in den Vordergrund, die wohl eine Mehrheit im Land für sinnvoll und nötig hält.

Das Bundeskabinett fasste am Dienstag Beschlüsse zum Haushalt 2025 und zur weiteren Finanzplanung, die unter anderem eine beispiellose Ausweitung von Wehretat und Neuverschuldung vorsehen. Allein für dieses Jahr veranschlagt die Regierung eine Neuverschuldung von 81,8 Milliarden Euro für den Bund – nach 33,3 Milliarden im vergangenen Jahr. 2026 soll der Fehlbetrag auf 89,3 Milliarden Euro anwachsen. 2029 soll die Neuverschuldung 126,1 Milliarden Euro betragen.

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Die geplanten »Rekordinvestitionen« des Bundes belaufen sich Klingbeil zufolge für dieses Jahr auf 115,7 Milliarden Euro. 2024 waren 74,5 Milliarden für Investitionen vorgesehen. »Wir werden massiv in die Bundeswehr investieren«, kündigte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) an. Das sei »die heutige Botschaft aus Berlin«, und mit diesem Bekenntnis reise er zum Nato-Gipfel.

Die Erwartungen der Nato-Partner an Deutschland seien »völlig zu Recht« hoch, sagte Pistorius. Geplant seien Investitionen in die Luftverteidigung, außerdem sehe der Haushaltsplan allein in diesem Jahr 10 000 neue militärische und 1000 zusätzliche zivile Stellen für die Streitkräfte vor.

Die Linke kritisierte vor allem die enorm anwachsenden Militärausgaben. Parteichefin Ines Schwerdtner sagte: »Dieser Haushalt ist ein Aufrüstungshaushalt – und ein Haushalt sozialer Kälte.« So werde beim Bürgergeld gekürzt, Förderprogramme würden gestrichen »und all das wird als ›Konsolidierung‹ verkauft«, monierte die Bundestagsabgeordnete. »Doch was als nüchterne Haushaltslogik daherkommt, ist nichts anderes als ein politischer Kahlschlag zulasten derjenigen, die ohnehin am wenigsten haben«, so Schwerdtner. Gleichzeitig würden »Unternehmen mit milliardenschweren Steuergeschenken entlastet – ohne verbindliche Gegenleistungen oder nachgewiesene Wirkung«. Solange die Schuldenbremse nicht grundlegend reformiert werde, bleibe »jeder Haushalt ein Kürzungshaushalt«.

»Was als nüchterne Haushaltslogik daherkommt, ist nichts anderes als ein Kahlschlag zulasten derjenigen, die ohnehin am wenigsten haben.«

Ines Schwerdtner Linke-Ko-Vorsitzende

Die Diakonie bemängelte zu geringe »Investitionen in die soziale Infrastruktur und die soziale Sicherheit«. Zur inneren und äußeren Sicherheit gehörten auch »Armutsbekämpfung, die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen, die Pflege von alten und kranken Menschen, Teilhabe von Menschen mit Behinderung, Integration von Geflüchteten sowie sozial gerechter Klimaschutz«, so der Wohlfahrtsverband. Der Sozialverband VdK kritisierte eine »unzureichende Finanzierung von Gesundheit und Pflege«.

Deutliche Kritik am Kabinettsbeschluss für das laufende Jahr übten auch die Grünen, erwähnten allerdings die Rüstungsausgaben nicht. Sebastian Schäfer, haushaltspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, erklärte: »Statt entschlossen in Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und die Modernisierung unseres Landes zu investieren, werden vor allem Wahlgeschenke verteilt und Haushaltslöcher gestopft. Die Mittel werden nicht genutzt, um unser Land zukunftsfest zu machen, um das Schienennetz auszubauen, um für modernisierte Schwimmbäder zu sorgen oder um sicherzustellen, dass Busse wieder pünktlich und regelmäßig fahren.« Zugleich werde Sozialabbau betrieben.

Weitgehend positiv bewertet der Deutsche Gewerkschaftsbund die Haushaltspläne. DGB-Chefin Yasmin Fahimi sagte: »Die Wirtschaft braucht jetzt ein mutiges Signal für mehr Investitionen und gute Arbeitsplätze. Die Beschlüsse des Kabinetts sind dafür ein wichtiger Schritt.« Notwendig sei ein schneller Einsatz der Mittel aus dem Infrastruktur-Sondervermögen. »Eine exzellente und bezahlbare Infrastruktur sowie Planungssicherheit sind die Voraussetzung für einen Weg raus aus der Krise«, betonte die frühere SPD-Generalsekretärin. Sie appellierte an die Wirtschaft, die von der Regierung geplanten Steuervorteile für Investitionen zu nutzen, statt »weiter Druck auf die Belegschaften auszuüben«. Zum Anstieg der Rüstungsausgaben äußerte sich auch Fahimi nicht.

Die Allianz Pro Schiene mahnte die Auflösung des Investitionsstaus beim Bahnstreckennetz an. Die Länge der »chronisch überlasteten Strecken« habe sich innerhalb weniger Jahre von 749 auf 1321 Kilometer fast verdoppelt, erklärte Dirk Flege, Geschäftsführer des Verkehrsbündnisses. Zudem sei es nur mit der Sanierung des Bestehenden nicht getan. Nötig seien zusätzliche Gleise, so Flege.

Klingbeil versprach unterdessen, er wolle als Finanzressortchef nicht nur darauf schauen, dass das Geld effizient ausgegeben werde, sondern auch »eine härtere Gangart einlegen gegen diejenigen, die den Staat ausnutzen und sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichern«. Er setze »auf die konsequente Bekämpfung von Steuerbetrug, Schwarzarbeit und sonstiger Finanzkriminalität«. Dazu werde er noch vor der Sommerpause Gesetzesinitiativen vorlegen, kündigte der Minister an.

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