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Union bremst Linke-Abgeordnete aus
Eine rechte Mehrheit ließ drei Linke-Kandidatinnen für Geheimgremien des Bundestags durchfallen
Es wurde das befürchtete parteipolitische Scharmützel: Drei der vier Linke-Kandidaten für sogenannte Geheimgremien des Bundestags fielen am späten Donnerstagnachmittag durch. Dabei handelt es sich nicht um die üblichen Fachausschüsse, sondern um Gremien, die mit sicherheitsrelevanten Fragen zu tun haben und deren Arbeit deshalb der Geheimhaltung unterliegt. Bereits im Vorfeld hatte die Union – und dort vor allem die CSU – Stimmung gegen die Linke-Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek gemacht und öffentlich ihre Eignung als Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium, das die Arbeit der Geheimdienste kontrolliert, infrage gestellt. Die Begründungen variierten zwischen Zweifeln an Reichinneks Zuverlässigkeit, ihren Aktivitäten in den sozialen Medien und der Behauptung, eine Fraktionschefin könne nicht genügend Zeit für die sensible Aufgabe aufbringen. Da auch zwei AfD-Abgeordnete nicht gewählt wurden, ist in dem Kontrollgremium bis auf Weiteres neben Vertretern von CDU, CSU und SPD mit dem Grünen Konstantin von Notz nur ein einziger Abgeordneter aus einer Oppositionsfraktion vertreten.
Wegen der Kampagne gegen Reichinnek drehte sich die mediale Berichterstattung vor allem um deren Person. Wie sich am Donnerstag zeigte, ist der Konflikt aber anders gelagert. Denn auch die Abgeordneten Ines Schwerdtner, Parteichefin der Linken, und Tamara Mazzi wurden nicht gewählt. Schwerdtner kandidierte für das Bundesschuldenwesengesetz-Gremium, Mazzi für das Bundeswehrfinanzierungs- und -sondervermögensgesetz-Gremium. Einzig Dietmar Bartsch wurde in das Vertrauensgremium gewählt, das sich mit der Finanzierung der Geheimdienste beschäftigt.
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Bei den Abstimmungsergebnissen fällt auf, dass die drei gescheiterten Linke-Bewerberinnen zwischen 260 und 280 Stimmen erhielten. Nötig wäre die sogenannte Kanzlermehrheit von 316 Stimmen gewesen, also die Mehrheit aller gewählten Abgeordneten. Die Stimmen für die drei Linke-Kandidatinnen entsprechen etwa denen von SPD, Grünen und Linke. Mutmaßlich dagegen stimmten der allergrößte Teil der Unionsfraktion sowie die AfD, deren Bewerber ebenfalls durchfielen und nur die Stimmen der eigenen Fraktion erhielten.
Die Linke-Vorsitzende Ines Schwerdtner bezeichnete das Abstimmungsverhalten der Union als politischen Skandal. Indem sie Linke-Vertretern die Mitarbeit in diesen Gremien verweigere, »entzieht sie ihrem eigenen Regierungshandeln und dem Handeln staatlicher Organe die nötige demokratische Kontrolle«, erklärte Schwerdtner auf nd-Anfrage. »Genau diese Kontrolle ist jedoch wesentlich für eine funktionierende Demokratie.« Im sogenannten Finanzierungsgremium wäre es unter anderem Aufgabe der Opposition, »Einblick in die Arbeit von Unternehmen mit Bundesbeteiligung zu nehmen und auf faire Arbeitsbedingungen, sinnvolle Mittelverwendung und nachhaltige Unternehmensentwicklung zu pochen«. Nach Schwerdtners Ansicht will die Union Die Linke bestrafen, weil diese »bei der Aufarbeitung der Maskenaffäre und in Sachen Brandmauer unbequem war«.
Unter solchen Bedingungen sind demokratische Zweidrittelmehrheiten künftig nur sehr schwer vorstellbar, sagte Schwerdtner. »Wer die Opposition ausgrenzt, darf ihre Unterstützung nicht erwarten.« Damit spielt sie darauf an, dass die schwarz-rote Koalition bei Abstimmungen, für die eine Zweidrittelmehrheit nötig ist, auf die Stimmen von Grünen und Linken angewiesen ist, wenn nicht die AfD ins Spiel kommen soll. Das war zuletzt der Fall, als Friedrich Merz bei der Kanzlerwahl im ersten Wahlgang durchgefallen war und die Frage stand, wie schnell ein zweiter Wahlgang stattfinden kann.
Auch für Änderungen des Grundgesetzes ist beispielsweise eine Zweidrittelmehrheit nötig. Reichinnek hatte vor der Wahl darauf hingewiesen, dass die Koalition zudem bei der Wahl von Verfassungsrichtern oder bei der Reform der Schuldenbremse auf Linke-Stimmen angewiesen sei. Schon zu Beginn der Woche hatte der Linke-Abgeordnete Christian Görke, bis zur Neuwahl des Fraktionsvorstands am Dienstag Parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion, gesagt, eine Ablehnung von Linke-Kandidaten hätte »weitreichende Folgen für alle anderen Verabredungen in diesem Parlament«. Wie die Linke-Fraktion auf die Abstimmungen reagiert, ob sie die gleichen Bewerberinnen erneut ins Rennen schickt oder neue Kandidaten nominiert, das ist noch nicht entschieden.
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