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Maja T. in Haftkrankenhaus verlegt
Entscheidung über Immunität der linken EU-Abgeordneten Ilaria Salis vertagt
Diese Woche hat Maja T. im Gefängnis in Budapest bereits vier Wochen gehungert. Nun ist die in Ungarns Hauptstadt inhaftierte nicht-binäre Person in ein Haftkrankenhaus verlegt worden. Darauf macht unter anderem der Linke-Europaabgeordnete und Fraktionschef Martin Schirdewan aufmerksam. Die Anstalt befindet sich rund 260 Kilometer von Budapest entfernt an der Grenze zu Rumänien.
Hintergrund des Hungerstreiks ist unter anderem eine Forderung nach besseren Haftbedingungen – etwa ein Ende der Isolationshaft. Laut ihrem Vater Wolfgang Jarosch leidet Maja T. nun unter starkem Gewichtsverlust, zunehmender Müdigkeit und eingeschränkter Konzentrationsfähigkeit. »Dass Maja erst zu solch drastischen Mitteln greifen muss, ist ein Skandal«, schreibt Jarosch in einer Pressemitteilung.
Maja T. war im Dezember 2023 in Berlin festgenommen worden. Grund war der Vorwurf der ungarischen Behörden, sie habe im Februar 2023 gemeinsam mit weiteren antifaschistischen Aktivist*innen am »Tag der Ehre« Angehörige der rechtsextremen Szene in Budapest angegriffen. Im Juni 2024 folgte die Auslieferung nach Ungarn – ungeachtet eines laufenden Eilverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht, das die Maßnahme untersagte. Die Überstellung von Maja T. war jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgt.
Im Februar begann der Prozess, in dem die Staatsanwaltschaft 24 Jahre Haft für Maja T. fordert. In Abwesenheit ebenfalls angeklagt ist der albanische Staatsangehörige Rexhino Abazaj, der nach seiner Festnahme in Frankreich wegen Zweifels an der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn aber nicht ausgeliefert wurde. Weil sich das Berliner Kammergericht in seiner Auslieferungsentscheidung über solche Bedenken hinwegsetzte, fordern Maja T. und ihr Unterstützungskreis ihre Rücküberstellung nach Deutschland und ein faires Verfahren an einem Oberlandesgericht.
Zuletzt hatte ein Gericht in Ungarn jedoch selbst einen Antrag auf Überstellung in den Hausarrest abgelehnt – und dies mit erhöhter Fluchtgefahr angesichts des sehr hohen erwarteten Strafmaßes begründet. Allerdings soll es Maja T. erstmals möglich gewesen sein, eine Stunde pro Tag mit vier anderen Häftlingen zum Hofgang die Zelle zu verlassen.
Weil über die mögliche Rücküberstellung von T. ungarische Gerichte entscheiden müssten, weist das Auswärtige Amt jede Verantwortung dafür von sich. Dasselbe Ministerium unter Führung des Konservativen Johann Wadepfuhl wäre allerdings zuständig, um politischen Druck auf Ungarn auszuüben.
Aus Protest gegen die deutsche Tatenlosigkeit trat T. Anfang Juni schließlich in den Hungerstreik. Proteste gegen die richterliche Entscheidung, den Prozess auch in der dritten Woche der verweigerten Nahrungsaufnahme fortzuführen, wertete das Gericht als »Sympathiedemonstrationen«. Die Unterstützer*innen würden damit auch belegen, dass die angeklagte Person Mitglied einer kriminellen Organisation ist.
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»Die Bundesregierung muss ihre Rücküberstellung aus Ungarn nach Deutschland jetzt sofort zur Priorität machen. Was muss noch passieren, damit SPD und CDU endlich aufwachen?«, erklärte der europäische Linke-Chef Schirdewan am Dienstag. Die Auslieferung sei rechtswidrig gewesen, dieses Unrecht müsse behoben werden. Dazu sei die Bundesregierung in der Pflicht.
Neben Schirdewan hatten zuletzt auch die linke EU-Abgeordnete Carola Rackete und die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt die in Ungarn inhaftierte Person besucht und ein rechtsstaatliches Verfahren in Deutschland gefordert. Um auf die Situation aufmerksam zu machen, läuft ihr Vater derzeit über 300 Kilometer von Jena, dem früheren Wohnort von Maja T., nach Berlin. Dort will Jarosch der Bundesregierung eine Petition übergeben. Darin fordern 100 000 Unterzeichner*innen die Rücküberstellung nach Deutschland.
Zusammen mit Maja T. und Rexhino Abazaj ist auch die Italienerin Ilaria Salis in Budapest wegen Angriffen auf Nazis angeklagt. Ihre Untersuchungshaft konnte sie mit einer erfolgreichen Kandidatur für das Europaparlament abwenden, um den Prozess – auch in Abwesenheit – kommt sie damit aber langfristig nicht herum. Ungarns Regierung hat die Aufhebung ihrer Immunität beantragt, darüber muss das Plenum entscheiden.
Gewöhnlich folgen die Abgeordneten dabei einem Beschlussvorschlag des zuständigen Rechtsausschusses, im Fall von Salis könnte es aber zu Kontroversen kommen. Ursprünglich wollte sich der Rechtsausschuss vor einer Woche zu seiner Position festlegen. Dies wurde jedoch auf die Zeit nach den Sommerferien verschoben.
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