AfD rechtskräftiger »Verdachtsfall«

Bundesverwaltungsgericht lehnt Revision ab

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.

Gerichte entscheiden, wenn sie nicht über Eilklagen entscheiden, mit einer gewissen Verzögerung. Das ist wichtig zu betonen, denn das Bundesverwaltungsgericht hat am Dienstag nicht über die aktuelle Einstufung der AfD durch den Verfassungsschutz entschieden. Über diese Einstufung als »gesichert rechtsextremistische Bestrebung« hat der Verfassungsschutz bekanntlich eine Stillhaltezusage abgegeben. Der Inlandsgeheimdienst verzichtet darauf, die AfD in dieser höchsten Einstufung zu führen, bis gerichtlich darüber entschieden ist.

Das Bundesverwaltungsgericht hat nun dafür gesorgt, dass die Einstufung als Verdachtsfall rechtskräftig ist. Es hat einen Revisionsantrag der AfD abgelehnt. Dem Verfahren liegen Einschätzungen des Verfassungsschutzes aus den Jahren 2019 bis 2021 zu Grunde. Sie betreffen nicht nur die AfD, sondern auch die sich in Auflösung befindende Jugendorganisation »Junge Alternative« und die formal aufgelöste völkische Strömung »Der Flügel«. Das Bundesamt für Verfassungsschutz schrieb für sie jeweils eine eigene Einstufung. Die AfD ging gegen alle drei vor. 2022 entschied das Verwaltungsgericht Köln gegen die extrem rechte Partei, 2024 das Oberverwaltungsgericht in Münster. Die nordrhein-westfälischen Gerichte sind zuständig, weil der Verfassungsschutz seinen Hauptsitz in Köln hat. Das Bundesverwaltungsgericht sah nun keine Gründe für eine Revision der Münsteraner Entscheidung. Der AfD bleibt noch die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde. Alice Weidel und Tino Chrupalla teilten am Dienstagabend in einem kurzen Statement mit, dass sie diese prüften.

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Inhaltlich entscheidend für die Einstufung der AfD als Verdachtsfall ist aus Sicht des Verfassungsschutzes, dass die Partei einen ethnischen Volksbegriff hat und plant, Menschen wegen ihrer Herkunft herabzuwürdigen. In der Partei gibt es schon länger Debatten über die Konsequenzen daraus. Der schillernde AfD-Bundestagsabgeordnete Maximilian Krah schrieb am Dienstagabend auf der Plattform X, dass man die Entscheidung zum Verdachtsfall mit der zur Aufhebung des Compact-Verbots zusammendenken müsse. Daraus ergebe sich eine klare Rechtsprechung. Mit dem Satz »Der Weg aus der VS-Beobachtung ist gezeichnet« plädiert Krah für eine Selbstverharmlosungsstrategie der AfD. Herabwürdigungen soll es nicht mehr geben, auf die Forderung nach »Remigration« soll verzichtet werden. Das mache die AfD sicher vor Eingriffen des Staates, erschließe neue Wählerschichten und mache koalitionsfähig.

Neurechte und völkische Akteur*innen inner- und außerhalb der AfD warnen davor. Die AfD drohe damit ihre Alleinstellungsmerkmale zu verlieren. Martin Sellner, um dessen »Remigrationskonzept« immer wieder gestritten wird, wirbt dafür, dass man es auf einen juristischen Prozess ankommen lassen soll, in dem ein hohes deutsches Gericht entscheidet, ob die Forderung nach »Remigration« mit dem Grundgesetz vereinbar ist oder nicht.

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