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Berlin: Wasser in Landeshand

Die Berliner Wasserbetriebe wurden 2013 rekommunalisiert. Was hat das bewirkt?

Vergesellschaftung – Berlin: Wasser in Landeshand

Im Jahr 2011 hatten die Berliner*innen die Nase voll: 98,2 Prozent der Abstimmenden sprachen sich für ein Gesetz zur Veröffentlichung und Überprüfung der Privatisierungsverträge zwischen dem Land Berlin und den seit 1999 an den Berliner Wasserbetrieben beteiligten privaten Investoren aus. Und das, obwohl aufgrund des zuvor schon aufgebauten öffentlichen Drucks die Verträge bereits drei Monate vor der Abstimmung durch das Land Berlin und die Mitgesellschafter selbst veröffentlicht worden waren. »Dass am Tag des Volksentscheids dennoch 678 247 Berliner für die Veröffentlichung der Wasser-Verträge stimmten, stand symbolisch dafür, dass ein Großteil der Bevölkerung die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe ablehnte und eine Rekommunalisierung befürwortete«, heißt es im Sachbuch »Berliner Wasser«, herausgegeben von den Wasserbetrieben im Jahr 2014.

Angetrieben wurde der Wasser-Entscheid von der Initiative Berliner Wassertisch. Dem öffentlichen Druck gegen die Teilprivatisierung folgte der politische Wille des Landes und schließlich die Verkaufsbereitschaft der Miteigentümer, sodass die Wasserbetriebe 2013 vollständig rekommunalisiert wurden.

Aus dem Wassertisch ging damals der Berliner Wasserrat hervor, »um die Entwicklung des Betriebs zu unterstützen«, wie Ulrike von Wiesenau und Gerlinde Schermer vom Wasserrat dem »nd« sagen. Der Rat sei »ein Gremium der Bürgerbeteiligung, das sich als ergänzendes direktdemokratisches Kontrollorgan und als Impulsgeber versteht«. Gesetzlich verankerte Rechte hat der Wasserrat allerdings nicht, obwohl man versucht habe, ihn »als beratendes, mit Rechten ausgestattetes Gremium zu installieren«, erläutert von Wiesenau.

Schermer und von Wiesenau betrachten es als »einen großen Gewinn für die Hauptstadt«, die Wasserbetriebe vollständig in die Landeshand zurückgeführt zu haben. Dennoch gebe es auch zwölf Jahre später noch Luft nach oben bezüglich der Transparenz und der Wirtschaftsweise des Unternehmens. »Die mit der Teilprivatisierung geschaffenen Gesetze zur Berechnung der Wassergebühren blieben bis heute unverändert, sie dienen weiterhin der Gewinnmaximierung«, sagen die Wasserrat-Sprecherinnen.

Bis 2043 müssten außerdem die Kredite von 1,2 Milliarden Euro abbezahlt werden, mit denen die privaten Anteile an den Wasserbetrieben zurückgekauft wurden, so von Wiesenau und Schermer; dem Buch »Berliner Wasser« zufolge durch die »Gewinnausschüttungen, die vorher den privaten Gesellschaftern zustanden.« Schermer erklärt, dass das Geld die Berliner Wasserkund*innen abbezahlen müssen, weil es über die Kalkulation in der Berechnung der Wassergebühren enthalten sei.

Transparenz fordert der Wasserrat über dem Teil der Einnahmen der Wasserbetriebe, der direkt in den Landeshaushalt fließt. Das sollen laut Haushaltsplanung 130 Millionen Euro für 2025 sein, so der Wasserrat. 2024 verzeichneten die Berliner Wasserbetriebe laut Jahresbilanz einen Bilanzgewinn von 127 Millionen Euro.

»Der Bilanzgewinn wird gesetzeskonform an den Haushalt des Landes abgeführt. Das war vor der Rekommunalisierung so und hat sich seitdem nicht geändert«, sagt Stephan Natz, Pressesprecher der Wasserbetriebe, dem »nd«. Die Senatswirtschaftsverwaltung wiederum betont, das Geld komme der »gesamten Stadtgesellschaft zugute«. »Ob bessere Schulen, mehr bezahlbare Wohnungen, moderner Nahverkehr oder der Schutz von Klima und Umwelt: Das Geld unterstützt viele zentrale Aufgaben und trägt dazu bei, den Landeshaushalt auszugleichen.«

»Die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Daseinsvorsorge und die Erzielung von Gewinnen sind nicht miteinander in Einklang zu bringen.«

Gerlinde Schermer und Ulrike von Wiesenau Berliner Wasserrat

Die Wirtschaftsverwaltung hält die Rekommunalisierung der Wasserbetriebe für richtig. »Damit wird die öffentliche Kontrolle über ein so lebenswichtiges Gut wie Wasser sichergestellt«, erklärt sie. Vorteile seien Transparenz, stärkere politische Mitbestimmung und die Möglichkeit, langfristige Investitionen zu tätigen. Auch die Wassergebühren ließen sich »sozialverträglich« gestalten, heißt es. »Seit 2014 sind die Trinkwasserpreise stabil und liegen seit nunmehr elf Jahren unverändert bei 1,694 Euro pro Kubikmeter. Die Preise für Schmutzwasser sind im selben Zeitraum sogar rückläufig und betragen seit 2022 nur noch 2,155 Euro pro Kubikmeter.«

Mit der Stabilität ist es allerdings bald vorbei: Ab 2027 sollen die Wassergebühren erhöht werden. »Moderat«, wie Wirtschaftssenatorin und Wasserbetriebe-Aufsichtsratsvorsitzende Franziska Giffey bei der Vorstellung der Wasserbetriebe-Bilanz im Juni sagte. Die Preissteigerung begründete sie damit, dass in die Infrastruktur investiert werden müsse. Die kommende Erhöhung werde »im Cent-Bereich« liegen, so die Senatorin. Die Wirtschaftsverwaltung begründet die voraussichtliche Preissteigerung so: Es gehe darum, »den gestiegenen Material-, Personal- und Investitionskosten sowie den Vorgaben der neuen europäischen Wasserverordnung Rechnung zu tragen«.

Dem Wasserrat sagt die angekündigte Gebührenerhöhung überhaupt nicht zu. »Da sage ich: Stopp«, so Gerlinde Schermer. Der Senat solle nicht die Gebühren für die Berliner*innen erhöhen, wenn er gleichzeitig »Kundengeld für Investitionen« den Wasserbetrieben entnehme und als Gewinne der Wasserbetriebe abführe. Überhaupt müsse »die gesetzlich geforderte Gewinnerzielung« aus dem Berliner Betriebegesetz gestrichen werde, stattdessen brauche es ein »reines Kostendeckungsprinzip«. »Die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Daseinsvorsorge und die Erzielung von Gewinnen sind nicht miteinander in Einklang zu bringen«, so Schermer und von Wiesenau.

Steigende Wassergebühren erregten schon in den 2000ern den Unmut der Berliner*innen. Denn 2004 waren die Wasserpreise um 15 Prozent angehoben worden, bis 2010 noch weiter. Für den Wasserrat eine klare Folge der Teilprivatisierung. 1999 hatte das Land 49,9 Prozent der Wasserbetriebe an Private verkauft, um leere Kassen zu füllen – aber auch, weil es dem damaligen Zeitgeist entsprach, so das Urteil im Buch »Berliner Wasser«.

Aus Sicht von Schermer ist die Teilprivatisierung ein Negativbeispiel für alle sogenannten Public-Private-Partnerships. Weil solche nach wie vor Thema in Politik und Wirtschaft sind, will der Wasserrat die Erfahrungen der 14 Jahre Teilprivatisierung an junge Menschen weitergeben. »Sonst wiederholt sich das«, sagt Schermer.

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