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Keine Einzelfälle im Fußball
Rassistische Beleidigungen überschatten die erste Runde des DFB-Pokals
»Es kam, glaube ich, von einer einzelnen Person: ›Scheiß N****‹ wurde gerufen. Es ist einfach unter aller Sau«, sagte Schalke-Spieler Christopher Antwi-Adjei der »Sportschau«. Seine Mannschaft hatte am Sonntagabend gerade erst den Regionalligisten Lokomotive Leipzig in der ersten Runde des DFB-Pokals geschlagen. Über das Spiel sprach nach dem Duell jedoch niemand.
Die Fernsehbilder zeigten den Schalker Spieler zwei Stunden vorher am Seitenrand vor der Fankurve der Leipziger Fans. Der Nationalspieler Ghanas wollte in der zwölften Spielminute eigentlich einen Einwurf ausführen. Doch statt den Ball ins Spiel zu bringen, ging der 31-Jährige zum Linienrichter, um die rassistische Beleidigung gegen ihn zu melden. »Ich habe ihm ein Signal gegeben, dass etwas vorgefallen ist. Das war das Mindeste, was ich tun konnte«, sagte Antwi-Adjei.
Weitere Beleidigungen haben die Spieler nicht vernommen – sonst hätte das Schalker Team den Platz verlassen. »Wenn das so weitergegangen wäre, hätten wir als Mannschaft hinter Christopher gestanden und auch nicht weitergespielt«, sagte Schalke-Kapitän Kenan Karaman. Es folgten aber eine mehrminütige Unterbrechung und eine Mahnung des Stadionsprechers, »diskriminierende Rufe zu unterlassen«. Die Reaktion der Fans? Pfiffe. »Das Schlimmste ist: Chris wird danach über 120 Minuten ausgepfiffen. Da kotze ich mich an«, sagte Trainer Miron Muslić nach dem Spiel.
Muslić widerspricht Lok-Trainer Seitz
Lok-Pressesprecher Carsten Muschalle relativierte die Pfiffe in der Halbzeitpause bei »Sky«: »Dass jetzt ein Spieler ausgepfiffen wird, ist ja auf einem Fußballplatz nicht ganz unüblich, das soll ja auch woanders so sein. Der Grund ist jetzt natürlich einer, wo etwas im Raum steht, was eben nicht schön ist.« Außerdem sagte er: »Wir haben einen Mitarbeiter, der ist Rollstuhlfahrer, der genau an der Stelle oder fast an der Stelle sitzt, wo der Spieler gestanden hat. Der hat nichts gehört.« Trotzdem hätten »auf dem Fußballplatz Rassismus und Diskriminierung nichts zu suchen«, so Muschalle. Muslić wiederum stellte klar: »Manche sagen, das hat auf dem Fußballplatz nichts verloren – das hat nirgends was verloren!«
Auch die Aussage von Leipzig-Trainer Holger Seitz, der auf der Pressekonferenz nach dem Spiel sagte, es sei »schade, dass so ein Fußballfest durch eine einzelne Äußerung ins Negative gezogen wird«, wollte Muslić so nicht stehen lassen. »Ich muss noch mal nachhaken, weil wir immer verharmlosen: Einzelpersonen. Das ganze Stadion hat schon, glaube ich, ein Gefühl gehabt, warum das Spiel unterbrochen ist. Das ganze Stadion hat gepfiffen. Das ist keine Einzelperson. Aber leider Gottes ist es so gang und gäbe, dass man das verharmlost und dann abschiebt als einen Idioten. Das sehe ich nicht so, das möchte ich klar betonen«, sagte der bosnisch-österreichische Trainer.
Später am Abend bezog der Leipziger Verein auf seiner Website Stellung: »Überhaupt nicht stolz sind wir auf die rassistische Beleidigung, die der Schalke-Spieler Christopher Antwi-Adjei in der 15. Minute von einem Zuschauer erfahren musste. Selbstverständlich entschuldigen wir uns im Namen des gesamten 1. FC Lok Leipzig in aller Form bei Christopher Antwi-Adjei und dem FC Schalke 04!«
Mehrere Vorfälle am Wochenende
Rassistische Beleidigungen im Fußball sind keine Einzelfälle. Ebenfalls am Sonntag war der 1. FC Kaiserslautern in der ersten Runde des DFB-Pokals zu Gast in Potsdam beim RSV Eintracht Stahnsdorf. Auch dieses Spiel wurde unterbrochen, weil ein Zuschauer einen Spieler rassistisch beleidigt hatte, der auf der Ersatzbank von Lautern saß. Als hier der Stadionsprecher eine Durchsage machte, reagierten die Fans in Potsdam anders als in Leipzig – mit Unterstützung für den Spieler. Fans beider Teams skandierten: »Nazis raus!«
Schon am Freitag war ein Fan in Liverpool beim Auftaktspiel der englischen Liga zwischen dem FC Liverpool und dem AFC Bournemouth des Stadions verwiesen worden, weil er den Bournemouth-Spieler Antoine Semenyo rassistisch beleidigt hatte.
Antwi-Adjei hat am Montag eine Anzeige bei der Leipziger Polizei erstattet, die nun wegen Beleidigung ermittelt. Auch der DFB-Kontrollausschuss hat Ermittlungen zu beiden Vorfällen in Deutschland eingeleitet. Hermann Winkler, dem Präsidenten des Nordostdeutschen Fußball-Verbands und DFB-Vizepräsident, war es gegenüber der dpa ein Anliegen, vor »Spekulationen und Schuldzuweisungen« zu warnen. Er selbst war im Stadion und habe »keine fremdenfeindliche Stimmung wahrgenommen«.
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