Berlin-Lichtenberg: 40 Jahre Nicaragua-Wandbild

Berliner Bürgerinitiative feiert Jubiläum mit einer Ausstellung etlicher Werke von Manuel García Moia

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Seit 2006 heißt der Platz vor dem Wandbild Monimbóplatz.
Seit 2006 heißt der Platz vor dem Wandbild Monimbóplatz.

»Dieses Wandbild erzählt nicht nur von der Vergangenheit, es ermutigt uns, die Zukunft gemeinsam zu gestalten«, lobt Bezirksbürgermeister Martin Schaefer (CDU). Die Bürgerinitiative, die sich seit Jahrzehnten um den Erhalt des nicaraguanischen Wandbilds nahe dem Bahnhof Berlin-Lichtenberg kümmert, ist Ende August mit dem Bezirkstaler ausgezeichnet worden.

Der indigene Künstler Manuel García Moia malte 1985 auf eine Giebelwand in der Skandinavischen Straße sein großflächiges Bild »Nicaraguanisches Dorf – Monimbó 1978«. García Moia war dort im Südwesten seines lateinamerikanischen Heimatlandes in ärmsten Verhältnissen aufgewachsen. Sein Wandgemälde im Stil der naiven Bauernmalerei kündet von einem Aufstand der Bevölkerung gegen Diktator Anastasio Somoza, der blutig niedergeschlagen wurde. Regierungstruppen verwüsteten damals den Ort. 1979 siegte die Revolution der Sandinisten, der katholische Priester Ernesto Cardenal wurde Kulturminister und förderte die naive Malerei noch mehr, als er es zuvor schon in seiner christlichen Kommune hatte tun können.

Als Manuel García Moia vom Ostberliner Magistrat den Auftrag für das Wandgemälde an der Skandinavischen Straße 26 erhielt, war er schon einer der bekanntesten naiven Maler seines Landes. Von 1979 bis 1990 realisierte er allein drei große Wandgemälde in der Hauptstadt Managua, drei in Ostberlin, zwei in Westdeutschland und eins in Kopenhagen. Dass er das Wandbild an der Skandinavischen Straße vollendete, ist nun 40 Jahre her – und die Bürgerinitiative feierte dieses Jubiläum am Montagnachmittag mit der Eröffnung einer Ausstellung von García Moias Werken im Nachbarschaftshaus im Ostseeviertel.

Ohne Christel Schemel und ihre noch gut 20 Mitstreiter wäre das Kunstwerk nicht erhalten geblieben. Nach 20 Jahren sollte das Haus saniert werden und das Wandbild drohte hinter der Wärmedämmung der Fassade zu verschwinden. Das ist auch so geschehen. Doch Schemels Initiative sammelte an die 150 000 Euro Spenden und ermöglichte eine Reproduktion des Gemäldes auf dem Dämmmaterial.

Bereits 1985 hatte García Moia bei der Ausführung Hilfe durch zwei deutsche Maler erhalten. Nun reproduzierten 2005 zwei deutsche Künstler sein Werk und der Nicaraguaner kam dazu, half ihnen und signierte sein Bild ein zweites Mal. Doch damit war noch lange nicht alles ausgestanden. Offenbar durch Pfusch am Bau bröckelte die Dämmung und ab 2012 fielen immer größere Stücke herunter. Doch die Bürgerinitiative ließ sich nicht entmutigen. Mit der Summe, die von der Versicherung zu zahlen war, und mit Fördermitteln – insgesamt rund 250 000 Euro – konnte das ursprüngliche Wandbild im Jahr 2019 freigelegt und 2020 rekonstruiert werden. Es ist nun auch unten mit einem Zaun und oben auf dem Dach mit Stacheldraht gegen Schmierereien gesichert. »Seitdem haben wir Ruhe«, berichtet Christel Schemel. Sie ist im Laufe der Jahre 14 Mal nach Nicaragua gereist und wie ihre inzwischen oft schon betagten Mitstreiter mit dem Wandbild alt geworden. Doch der unermüdliche Einsatz hat sich gelohnt.

Manuel García Moia hatte das Wandbild auch als Zeichen der Freundschaft und aus Dankbarkeit dafür gemalt, wie die DDR die sandinistische Revolution unterstützte. Dabei überwand der Künstler einige Schwierigkeiten. So zeigt ihn ein Dokumentarfilm von 1986, wie er im Jahr zuvor unter ungewohnten klimatischen Bedingungen an dem Wandbild arbeitete. Er sagt in die Kamera: »Natürlich habe ich ein bisschen Angst wegen des Windes und der Kälte. Aber mit den Tagen habe ich mich schon ein bisschen daran gewöhnt.«

García Moia hat außerdem gesagt: »Ich will das Sterben und den Widerstand zeigen, aber auch die Schönheit.« Er starb im Februar 2023 in den USA. Dorthin waren seine Angehörigen ausgewandert und die Sehnsucht nach seiner Familie hatte ihn schweren Herzens bewogen, 1998 seine Heimat zu verlassen, die er aber immer wieder besuchte.

Seine Tochter Maria Elena ist am Montag da und ganz gerührt. »Herzlichen Dank für Ihr Interesse, Ihre Liebe zur Kunst«, sagt sie den Besuchern der Ausstellung. Sie erklärt: »Die naive Malerei zeigt die Zärtlichkeit der Seele.« Landsleute von ihr spielen und singen Folklore und tanzen dazu, Christel Schemel schüttelt im Takt eine Rassel. Die Gäste der Veranstaltung sind begeistert und applaudieren.

Die Ex-Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch (Linke) ist gekommen und immer eine zuverlässige Unterstützerin der Bürgerinitiative gewesen. Christel Schemel dankt auch der ehemaligen Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich (Linke), die nun Vorsitzende des Vereins für aktive Vielfalt ist, der das Nachbarschaftshaus im Ostseeviertel betreibt. Erschienen ist auch Jana Reiter, Leiterin der Schule am Wilhelmsberg in der Sandinostraße 8. Dort hat Manuel García Moia 1985 zwei schöne Wandbilder im Speisesaal und im Lehrerzimmer hinterlassen, von denen er das eine zusammen mit Schulkindern malte, die bei der Gestaltung mitentscheiden durften – ein Vorgehen, von dem Schulleiterin Reiter mit Hochachtung spricht.

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