Berlin: Geldsegen für Privatschulen

Senat beschließt höhere Zuschüsse für Privatschulen – um soziale Durchmischung zu fördern

Futuristisch lernen: Empfangshalle der privaten Phorms-Grundschule
Futuristisch lernen: Empfangshalle der privaten Phorms-Grundschule

Beim ersten Hören klingt es wie ein Widerspruch in sich: Berlins Privatschulen sollen sozial durchlässiger werden. Das sieht ein Entwurf für eine Schulgesetzreform vor, die der Senat am Dienstag beschlossen hat. »Wir sichern ab, dass Kinder aus allen Schichten auf diese Schulen gehen können«, sagte Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) im Anschluss an die Senatssitzung.

Erreicht werden soll dieses Ziel durch eine Schulgeldtabelle. Künftig sollen die Privatschulen also nicht mehr selbst ihre Beiträge festlegen, sondern sich an einer landesweit einheitlichen Tabelle orientieren. Frei wählbar bleibt ihnen nur noch der Betrag für Eltern, die mehr als 81 000 Euro verdienen. Darunter wird das Schulgeld künftig reguliert sein: Für Eltern, die mehr als 68 000 Euro verdienen, wird das Schulgeld künftig etwa bei 350 Euro liegen, bei einem Einkommen zwischen 42 000 und 55 000 Euro bei 160 Euro. Für Geringverdiener mit einem Einkommen bis 30 000 Euro sollen die Gebühren bei 35 Euro liegen, bei Sozialhilfeempfängern sogar nur bei 10 Euro. In Kraft treten soll die Schulgeldtabelle mit dem Schuljahr 2027/2028.

Damit die Privatschulen sich trotz dieser Vorgaben weiterhin finanzieren können, sollen die staatliche Zuschüsse steigen. So will der Senat für Kinder aus Familien mit geringem Einkommen einen Großteil des Schulgeldes übernehmen. Zuschüsse sollen für alle Familien bis zu einem Einkommen von 55 000 Euro gezahlt werden, sie sollen sich zwischen 120 und 175 Euro pro Schüler bewegen. Die Kosten sollen sich nach Senatsangaben auf 31 Millionen Euro im Jahr belaufen.

Als Privatschulen (»Schulen in freier Trägerschaft« im Amtsdeutsch) gelten neben profitorientierten Schulen auch von gemeinnützigen Vereinen getragene und konfessionelle Schulen. An den berlinweit 218 Privatschulen lernen 14 000 Schüler, was etwa zwölf Prozent der gesamten Schülerschaft umfasst.

»Die Schulen werden nicht mehr ausschließlich auf das Schulgeld der Eltern angewiesen sein«, sagte Günther-Wünsch am Dienstag. Damit sorge man für Planungssicherheit bei den Privatschulen und »breitere Zugangsmöglichkeiten für die Berliner Familien«. Laut Günther-Wünsch haben die Pläne keine Auswirkungen auf bestehende Stipendienprogramme privater Schulen. Eine Obergrenze, wie viele Schüler bezuschusst werden sollen, gebe es nicht. Dies hänge von den Auswahlverfahren der Schulen ab.

»Eigentlich ist das Geld dafür gerade nicht da.«

Marianne Burkert-Eulitz (Grüne)
Bildungspolitische Sprecherin

Hintergrund der Reform sind auch juristische Vorgaben: Im Grundgesetz wird festgeschrieben, dass Privatschulen nur dann legal sind, wenn sie nicht zu einer Segregation der Schüler nach Besitzverhältnissen führen (»Sonderungsverbot«). Eine bundesweite Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung hatte 2017 beklagt, dass in mehreren Bundesländern – darunter Berlin – dieses Sonderungsverbot durch hohe Schulgebühren unterlaufen werde.

Ebenfalls ansteigen sollen die Zuschüsse für Kinder mit Inklusionsbedarf. Sie sollen künftig zu 100 Prozent vom Land getragen werden. Bislang gibt es an Schulen in freier Trägerschaft nur wenige Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf, weil die Schulen den Mehraufwand nicht finanzieren können.

Auch abseits von Finanzfragen kommt der Senat den Privatschulen näher: So mussten Privatschulen bislang fünf Jahre warten, bis sie anerkannt wurden und staatliche Zuschüsse erhalten konnten. Dieser Zeitraum soll ab 2026 auf zwei Jahre verkürzt werden.

Eine Enttäuschung müssen die Privatschulträger allerdings hinnehmen: Die Basisfinanzierung wird weiterhin bei 93 Prozent der Personalkosten gedeckelt bleiben. Vor mehr als 20 Jahren war dieser Satz von 97 Prozent gesenkt worden. »Angesichts der aktuellen Haushaltslage« sei es nicht gelungen, die Basisfinanzierung anzuheben, so Günther Wünsch.

Bei der Opposition fällt das Urteil über die Novelle gespalten aus: Man begrüße es zwar, dass die Privatschulen sozial durchlässiger und inklusiver werden sollen, sagt Marianne Burkert-Eulitz, bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, gegenüber »nd«. »Aber eigentlich ist das Geld dafür gerade nicht da.« Die Koalition streiche parallel zahlreiche Angebote an öffentlichen Schulen, etwa im Bereich der Schulsozialarbeit. »Haushaltstechnisch kommt das zur Unzeit«, sagt Burkert-Eulitz. Der Senat setze die falschen Prioritäten.

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