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Daheim ist, wo die Schmorwurst köchelt
Chemie Leipzig, Chemie Leipzig, ich träume jede Nacht von Chemie Leipzig!
Wie schlimm steht es wirklich um Chemie Leipzig und was hat die Münchner Saat des Bösen damit zu tun? Höret ihr Lieben, was mir mein Traumfänger in der Blauen Stunde raunte!
Endlich wird zur Strafe auf Asche trainiert, freuten sich die Leipziger Chemiebuben, als sie jüngst daheim gegen Jena zum sechsten Mal in Folge verloren hatten und schweißnass in der Kabine ins Nichts guckten. Obgleich im ausverkauften Leutzscher Stadion die Fackeln hell leuchteten und der Chemieblock pausenlos schönstes Liedgut zum Besten gab, hatte Chemie nicht den Hauch einer Chance gegen die Jenaer Rivalen. Ich war voll Mitleid, teile ich doch nicht den albernen Hass der maskulinen Nachtjacken, die auf beiden Seiten den Diskurs bestimmen. Ich möchte Chemie in der Regionalliga sehen, keine Fanszene bringt das Stadion so zum Kochen, auch wenn im sportlichen Bereich der Klub offensichtlich nicht gut beraten ist.
Frank Willmann blickt auf den Fußball zwischen Leipzig, Łódź und Ljubljana.
Ich gastierte in der 2. Halbzeit auf der alten Holztribüne und erfreute mich am Gemurmel und der Anwesenheit vieler älterer Herren, die mich vor 40 Jahren mit Holzlatten durch die umliegenden Gärten jagten, weil ich ihre ruhmreiche Stätte ehrlichen nordsächsischen Arbeiterschweißes als Gästefan zu betreten wagte. Ältere Damen verschönerten kaum die Tribüne, das entsprach ganz dem Standard der frühen Achtziger, als Frauen dem subproletarischen Männergerassel aus gutem Grund fernblieben.
Nach dem Kick ergoss sich im spätsommerlichen Leipzig ein Heer fahrradfahrender, garantiert diskriminierungsfreier junger Menschen beiderlei Geschlechts Richtung Innenstadt. In Leipzig sind die Wege allenfalls halblang und die Straßenbahntaktung wird von einem inkompetenten Menschen organisiert. Wir standen also an der Straßenbahnhalte, als urplötzlich Wurst-Uli und Uhren-Kalle aus den Büschen sprangen. Sie wedelten wild mit Geldscheinen und schrien: Wir spenden unser Schwarzgeld für Chemie Leipzig, sollen sich drei Stürmer kaufen! Und wir fordern den Rücktritt von Max Eberl beim FC Bayern, wir schenken ihn Chemie! Uli tänzelnd: Karl-Heinz und ich, wir zwei Besenbinder, haben uns bei Problemen immer neben die original bayerische Tür zum Paradies gestellt und mit einem Kuhfuß aufeinander eingedroschen, unser okayer Weg zur Meisterschaft. Max wollte nicht mitmachen, Max ist für die Bayern zu empfindlich, außerdem zieht er seine Lederhose verkehrt herum an. Schmorwurst für alle!
Was für ein bizarres Bild, aber höchstwahrscheinlich ist das genau der Weg zum Erfolg. Nach einer Minute verschwanden die zwei Korrumpel im Leutzscher Autoabgasdunst – wie der Möter, halb Mensch halb Köter, auf unser Mutter Erde wandelt, latscht auch der Korrumpel, der korrupte Kumpel, auf ihr herum. Sie ließen verdutzte chemische Elemente (plus Jenaer Einsprengseln) zurück. Was tun, wenn Chemie plötzlich Millionär*in wird? Dank der schnellen Eingreifer Kalle und Uli! Siedend heiß machte sich Freude breit unter den anwesenden Wartenden, sie hoben die Hände und sangen: Chemie Leipzig, Chemie Leipzig, ich träume jede Nacht von Chemie Leipzig!
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