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Gaza-Hilfsflotte will die Blockade durchbrechen

Die Global Sumud Flotilla hat das Ziel, humanitäre Hilfe in den Gazastreifen zu bringen. Am Mittwoch soll es aus Tunis losgehen

  • Vanessa Barisch, Tunis
  • Lesedauer: 5 Min.
Bald fertig zum Auslaufen aus Tunis: Aktivisten an Bord der Global Sumud Flotilla wollen ihre Reise nach Gaza fortsetzen.
Bald fertig zum Auslaufen aus Tunis: Aktivisten an Bord der Global Sumud Flotilla wollen ihre Reise nach Gaza fortsetzen.

Seit vier Tagen warteten in der tunesischen Hauptstadt Tunis, Menschen aus der ganzen Welt auf die Ankunft der Global Sumud Flotilla, die sich auf Grund schlechten Wetters verspätet hatte. Von Tunis aus sollen die Schiffe, die in Barcelona am 1. September gestartet waren, mit rund einem Dutzend weiteren Schiffen der Maghreb Sumud Flotilla nach Gaza fahren. Ziel der Aktion, an der Menschen aus 44 Ländern teilnehmen, ist der Bruch der Blockade um Gaza, die nach dem Wahlsieg der Hamas und der Machtübernahme im Gazastreifen 2007 von Israel verhängt wurde.

»Staaten, Unternehmen und jeder einzelne muss die Komplizenschaft mit dem Genozid aufgeben«, rief Greta Thunberg auf der Pressekonferenz kurz nach ihrer Ankunft. Sie kritisierte ebenfalls die Berichterstattung internationaler Medien über den Konflikt. Gemeinsam mit dem Brasilianer Thiago Avila, der deutschen Aktivistin Yasemin Acar, der französisch-palästinensischen Europaabgeordneten Rima Hassan von der linken La France Insoumise und Wael Nawar von der Maghreb Sumud Flotilla hielt Thunberg die Pressekonferenz ab – umgeben von mehreren tausend Unterstützer*innen der Mission.

Nicht alle Teilnehmer unumstritten

Die Gesichter der Global Sumud Flotilla sind umstritten in Deutschland. Thiago Avila gilt als Anhänger der hierzulande als Terrororganisation eingestuften Hisbollah. Hassan und Acar stehen in der Kritik, weil sie das Handeln der auch als Terrororganisation kategorisierten Hamas nicht verurteilen wollen, wie die »Jüdische Allgemeine« schreibt. Israels Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben Gvir, macht derweil keinen Unterschied bei den Teilnehmenden der Global Sumud Flotilla und bezeichnete diese nun als »Terroristen«.

In Tunesien werden weder Hamas noch Hisbollah problematisch gesehen. Dennoch waren im Gegensatz zu anderen pro-palästinensischen Demos in Tunis in der Vergangenheit diesmal keine Symbole der Hamas oder der Hisbollah zu sehen oder israelfeindliche Parolen zu hören.

Im Gespräch mit dem »nd« lobt Rima Hassan, die diesmal nicht an der Fahrt teilnehmen kann, den Mut und das Engagement der Global Sumud Flotilla: »Das ist eine nie zuvor gesehene Mobilisierung. Wir sehen eine Entzweiung zwischen dem Volk und den Regierungen überall auf der Welt. Es handelt sich um eine Aktion, die die Bürger in die Hand nehmen, obwohl es eigentlich die Rolle der Staaten wäre.«

Auch 18 Menschen aus Deutschland bereiten sich in Tunesien auf die Fahrt nach Gaza vor. Dazu besuchten sie in Tunesien mehrere Trainings, darunter das Verhalten auf dem Schiff sowie ein Antigewalttraining. Dabei hätten sie neben Medizin nur das Nötigste, wie der dreifache Familienvater Sherif Zaki aus München erzählt, der ebenfalls an Bord gehen will. Seine Familie selbst kommt aus Palästina und über sein Befinden in der Vorbereitung sagt er: »Ich habe gemischte Gefühle. Es ist gut zu sehen, wie viele Menschen mit Herz und Mut dabei sind. Wir haben wenig Unterstützung von offizieller Seite in Deutschland, das ist beängstigend. Aber es ist unsere Pflicht als weltweite Community, da was zu machen.«

Die gesamte Sonntagnacht kamen weitere Schiffe der Global Sumud Flotilla an. Darunter auch der in Spanien lebende ägyptische Regisseur und Schriftsteller Basel Ramsis, der auf dem Schiff Yolara mit siebenköpfiger Besatzung eintraf. Sobald er Mitte August vom Aufruf zur Teilnahme an der Flotilla erfahren hatte, reichte er eine Bewerbung gemeinsam mit 35 000 anderen Interessierten ein, wie er erzählt. Gemeinsam mit etwa 300 Menschen wurde er in einem mehrstufigen Bewerbungsprozess ausgewählt. Als einziger Ägypter der Flotille, gibt er auf seinem Facebook-Account und in der unabhängigen ägyptischen Zeitung »Minassa« Updates über die Global Sumud Flotilla. »Ich habe mein Leben schon lange der palästinensischen Sache verschrieben«, sagt Basel. »Aber ich habe auch Angst, Angst vor der Reaktion Israels oder der Reaktion meines Landes Ägypten.« Gegen die Angst helfe, sich vorzustellen, wie er in ein paar Wochen in Spanien im Hafen mit Freunden einen Whiskey trinken werde.

Angst vor israelischer Repression

Die Sorgen der Teilnehmer*innen basieren auf dem Umgang Israels mit vorhergehenden Flotillen: Bereits 2010 war ein Schiff von der Türkei aus unterwegs und das israelische Militär tötete acht Crewmitglieder. 2025 versuchten die Schiffe Handala und Madleen ebenfalls erfolglos mit Hilfslieferungen nach Gaza vorzudringen. Der Vorstoß der Madleen war koordiniert mit Konvois, die über den Luft- und Landweg von der ägyptischen Stadt Arish nach Rafah gelangen wollten. Der von Algerien gestartete Land-Konvoi wurde von der Haftar-Regierung im Osten Libyens gestoppt, die dem ägyptischen Staatschef Abd al-Fattah al-Sisi nahesteht. Die per Flugzeug nach Ägypten Gereisten wurden teils gewaltsam von den ägyptischen Behörden an der Teilnahme gehindert.

Sollte die aktuelle Flotilla bei ihrer Mission, die Belagerung zu brechen, behindert werden, drohten die europäischen Hafenarbeiter*innen, die bereits andere Solidaritätsaktionen mit Palästina und den Flotillen unternommen hatten, mit der Blockade der europäischen Häfen.

Wichtig ist es der Global Sumud Flotilla zu betonen, dass die Aktion legal ist. Bereits am 3. September hatte der Vizepräsident der Worldwide Lawyers Association, Hüseyin Dişli, bei einer Pressekonferenz in Tunis die rechtliche Analyse der Aktion vorgestellt, die für die Legalität der Aktion argumentiert. Die online zugeschaltete UN-Berichterstatterin für die besetzten palästinensischen Gebiete, Francesca Albanese, sagte den Teilnehmer*innen der Flotilla bei diesem Anlass: »Was ihr macht, ist absolut legal. In einer friedlichen Mission zur Verteilung von Hilfsgütern für das palästinensische Volk, das belagert und zerstört wird, Hunger leidet und einen Genozid erlebt, aufzubrechen, ist eine Geste der Menschlichkeit.«

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